Ausstellung "Zitate" von Wolfgang Herrndorf im Münchner Literaturhaus |
Es gibt keine Rechtfertigung, außer, dass mir das Leben dazwischen gekommen ist. Twitter hält ein paar trunkene Tweets bereit, die mein Verschwinden erklären. Kurz: Jemanden kennen gelernt, wie die Faust aufs Auge, Topf auf Deckel, Fisch zu Fahrrad. Die abgedroschenen Phrasen, so banal wie passend.
Anstatt heute eine interessante Reise anzutreten, gingen [CLASSIFIED] und ich in eine Ausstellung im hiesigen Literaturhaus. Er wollte gerne die Ausstellung "Zitate" von Wolfgang Herrndorf sehen, der neben seinem berühmt gewordenen Blog "Arbeit und Struktur" auch zahlreiche Illustrationen und Zeichnungen als Auftragsarbeiten, meist für die Titanic, anfertigte.
Ohne viel über Herrndorf zu wissen oder seinen Blog gelesen zu haben, gefiel mir sein Bildwerk. Er verstand etwas von Malerei, kannte seine Kunstgeschichte, jonglierte mit Anspielungen auf große Kunstwerke und machte das mit so großem Humor, dass wir und einige der anderen spärlichen BesucherInnen lachen mussten.
Auf den Wänden fanden sich immer wieder Zitate von Herrndorfs Oeuvre. Wer sich als BloggerIn oder TextschaffendeR richtig schlecht fühlen mag, möge bitte etwas von Herrndorf lesen. Er hat tiefen Eindruck bei mir hinterlassen mit seinem poetischen Blick auf das Alltägliche. Ich blätterte die Buchausgabe von "Arbeit und Struktur" durch und blieb an einem der ersten Einträge hängen. So wie Herrndorf über die Miele-Waschmaschine seine Eltern schrieb, möchte ich am liebsten heulen und alles, was ich je produziert habe, verbrennen. Ja, man wird besser mit jedem Text, aber dazu mit Talent und Stilvermögen ausgestattet sein - unvergleichlich.
[CLASSIFIED] und ich rätselten, was Herrndorf mit diesem Zitat gemeint haben könnte. Ich seh den Sternenhimmel. Ging es nur darum? Oder gab es eine tiefere Bedeutung? Große Kunst lässt viele Lesarten zu. Simple Kunst ist entweder Kitsch, Schwulst oder Propaganda. In jedem Fall uninteressant. Wir steigerten uns in eine Diskussion über die Natur von Begrifflichkeiten, dem Verhältnis zwischen dem Konkreten und dem Abstrakten und beließen es dabei, dass das Zitat das war, was immer wir ihm an Bedeutung beimaßen.
Meine Bewunderung für die PoetInnen des Alltags ist immens. Sie verkörpern das, was ich mir für mein Leben wünsche: Die Entdeckung des Poetischen im Alltag. Die Erzählung eines regulären Mittwochnachmittag im Büro, des Einkaufens nach Feierabend - zutiefst menschlich, immens rührend, niemals langweilig. Es ist einfach, heroische Großtaten literarisch aufregend zu gestalten. Eine Waschmaschine von Miele als Protagonisten auftreten zu lassen, dazu braucht es Begabung und unermüdlichen Fleiß. Bin ich zu faul, um besser zu werden?
Neu entdeckt: das gangundgäbe in der Kapuzinerstraße |
Beim nächsten Mal muss ich einen dieser riesigen Cookies probieren. Oder einen Kaffee.
Ich bin definitiv zu faul. Oder zu müde. Oder zu beschäftigt mit eben diesen Alltagsdingen.;-)
AntwortenLöschenWenn ein Blog-Eintrag so stimmungsvoll und nachdenkenswert ist wie dieser, dann lohnt sich auch das Warten. Man kann eben auch nicht wie ein Roboter ständig super Kreativität raushauen. (Auch wenn manchmal allein durch den Vorsatz, regelmäßig zu bloggen, bessere Texte entstehen können). Poesie des Alltags klingt sehr treffend und so ganz allgemein als spannendes Konzept für Texte. Und Texten ist sowieso immer auch Fleiß. Aber manchmal auch Inspiration. Diese seltsame Mischung eben, die man zum Teil trainieren, schärfen und polieren - aber gleichzeitig niemals erzwingen kann. Was mich daran erinnert, dass ich auch dringend Abends wieder mehr schreiben sollte...
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