Der Mordfall Yangjie Li - Behördenversagen hat in Dessau Programm.

Wut, Wut, Wut. via Patrik Nygren

Es ist schon einige Wochen her, ich schwanke zwischen Bestürzung, Entsetzen und Apathie. Ernsthaft, wenn solche Dinge passieren, ist man überrascht?

Um es zusammenzufassen für diejenigen, die unter einem Stein gelebt haben oder einfach andere Webseiten besuchen als ich:

Die chinesische Architektur-Studentin Yangjie Li, 25 Jahre alt, geht am 11. Mai in Dessau joggen. Von dem Lauf kommt sie nicht mehr zurück. Zwei Tage später findet man ihre Leiche in einem Gebüsch, das Gesicht entstellt, sodass man sie kaum mehr identifizieren kann.

An ihrem Leichnam werden fremde DNA-Spuren festgestellt, die auf eine Sexualstraftat hinweisen. Ein Mann gibt an, dass er und seine Verlobte sich mit Li am Vortag ihres Todes getroffen haben und dass die Spuren von ihm sein könnten.

Die Indizien wie Blutspuren in der Wohnung der beiden deuten darauf hin, dass sie die Täter sind.

So weit, so schlecht.

Skandale, Skandale

Was zunächst "nur" nach einem schrecklichen Mordfall anhört, wächst sich zu einem epischen Versagen der Behörden und der deutschen Gesellschaft aus: Zum einen sind die Eltern des mutmaßlichen Täters beide Polizisten, der Stiefvater gar Chef der Dessauer Polizei.

Wer denkt, dass dadurch dem Filz Tür und Tor geöffnet ist, hat richtig geraten. Zwar übernimmt die Polizei in Halle die Ermittlungen, gegen die Eltern des Verdächtigen wird nicht ermittelt, es ist von Manipulationen die Rede, der Verdächtige hat nicht das erste Mal eine solche Tat begangen.

Die Tat ist schockierend, aber sexuelle Gewalt ist leider auch nichts Ungewöhnliches. Schockierend finde ich die Unverfrorenheit der Verdächtigen und die kulturelle Blindheit der Behörden. Es gehört schon eine besondere Rohheit dazu, nach solchen Geschehnissen durch den eigenen Sohn fröhlich ein paar Tage später eine Kneipe zu eröffnen. Mit großer Feier und allem drum und dran. Die Empörung bleibt aus.

Gesicht verlieren - bittere Realität

Eine Sache macht mich als asiatischstämmige Person rasend: Die öffentlichen Mutmaßungen des Generalstaatsanwalts, dass Yangjie Li ein sexuelles Verhältnis mit dem Täter gehabt hätte oder sonst einem zweifelhaften Lebenswandel anhing. In den chinesischen Medien und sozialen Netzwerken wurden diese Aussagen einfach so als Fakt weitergegeben, ich vermute da Sensationslust und "lost in translation".

Wisst ihr, was das für Lis Familie bedeutet? Den absoluten sozialen Tod. Wer nicht in einer asiatischen Familie aufgewachsen ist, kann sich die Schmach und Schande kaum vorstellen. Das Gesicht verlieren ist dort bittere Realität.

Vietnam und China sind sich da recht ähnlich: Das, was die Kinder tun, fällt auf die Eltern zurück. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist viel enger, im Guten wie im Schlechten. Darüber kann man denken, wie man will.

Fakt ist: Ihr Ruf ist für immer ruiniert. Nicht nur, dass sie ihre einzige Tochter verloren haben, sie müssen auch noch die soziale Schmach ertragen. In Asien gilt der Ruf vor der Gesellschaft noch was - wenn man da raus ist, hat man verloren. Der Ausschluss ist echt. Der Staatsanwalt hat ohne Not die Eltern beschämt, mit einer Lüge, die der lebende Täter in die Welt gesetzt hat. Während Yangjie Li sich dagegen nicht mehr wehren kann.

Ich kann nur resignieren. Dessau bedeutet Filz und Korruption und Vertuschung. Woher ich das weiß? Es ist nicht das erste Mal, dass jemand Nicht-Deutschaussehendes in Dessau zu Tode gekommen ist und nicht zu seinem Recht kam: Oury Jalloh. Gefesselt in "Obhut" der Polizei verbrannte er in seiner Zelle. Dieser Mord ist nach wie vor nicht gesühnt.

Ob es dieses Mal besser wird? Ich zweifle.


Wer genaueres über den Fall erfahren will, kann die Facebook-Seite Mordfall Yangjie Li besuchen. Hier gibt es zahlreiche Informationen dazu.

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CONVERSATION

5 Kommentar/e:

  1. danke, hab ich gar nicht mitbekommen, War anscheinend nicht so erwähnenswert...

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    1. Wir besuchen tatsächlich verschiedene Webseiten. Es sollte mehr darüber berichtet werden.

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  2. Absolut nichts von mitbekommen danke für die Aufklärung.

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  3. Hab ich auch nichts von mitbekommen, dabei lese ich täglich die Süddeutsche Zeitung! Wäre eigentlich ein Thema, welches man in diversen Politikmagazinen mal bringen sollte! Denn das ist wirklich ein unglaublich wütendmachender Skandal.

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  4. Gestern (Dienstag, 30.05.2017) war in der Süddeutschen Zeitung ein großer Bericht zu dem Prozess.

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