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Das Niveau meiner Tanzpartner war recht unterschiedlich: Da waren die drei Herren aus meinem Kurs, die ungefähr das beherrschten, was ich konnte, und deren Tanzstil ich kannte. Andere wiederum hatte ich noch nie gesehen, waren sehr viel weiter und geübter, sodass ich Mühe hatte, zu folgen. Merke: Das erste Mal mit einer neuen Person ist immer suboptimal, das gilt gerade fürs Tanzen. Da merkte ich schon, dass ich einiges noch zu lernen habe. Acht Tanzstunden reichen nicht aus für ausgefallene Sachen. Letztendlich landet man doch bei den drei Figuren, die man kennt, und fühlt sich gleichzeitig schlecht, dass man einem erfahreneren Tanzpartner wenig zu bieten hat.
Also auf ins Internet und Youtube-Videos angucken. Mehr lernen, mehr können, mehr tanzen. Es gibt zahlreiche Aufzeichnungen von Wettbewerben, aber auch grundlegende Basics-Videos wie den 6-Count- oder den 8-Count-Schritt. Als erfahrene YouTube-Nachturnerin habe ich bekanntlich kein Problem, daheim den Rechner aufzustellen und Tanzschritte nachzuahmen. Kopie ist der erste Schritt zu wahrer Meisterschaft.
Doch je länger ich zuguckte und übte, desto seltsamer fand ich es. Die meisten Lehrvideos waren weiß. Blütenweiß. Hübsche, einigermaßen junge, weiße Menschen, die einen Tanz tanzten, der aus dem schwarzen Harlem stammte, zu Musik, die von Schwarzen erfunden wurde. Lediglich ein Video mit dem Vater des modernen Lindy Hop, Frankie Manning (Gott hab ihn selig), war aufzutreiben. War das Whitewashing? Mal wieder? Wann geschah es, dass Lindy Hop zu einem Phänomen weißer Hipster wurde, selbst im Mutterland des Lindy Hop?
In Deutschland ist es recht klar - es gibt kaum Afro-Amerikaner, die Tradition des Swingtanzens kam mit der Begeisterung für amerikanische Kultur. Man könnte jetzt viel schreiben über die Subversivität des Swingtanzens zur Nazi-Zeit, aber das würde hier zu weit führen. Lindy Hop scheint zu einer reinweißen Veranstaltung geworden zu sein. Eine Art kulturelle Vereinnahmung und Verdrängung der eigentlichen, meist schwarzen ErfinderInnen.
Auf Twitter mutmaßte man, dass es an mangelnden Ressourcen liegen könnte: Lindy Hop-Tanzstunden sind Luxus. Ich habe es mir auch erst jetzt geleistet, weil ich während des Studiums kein Geld hatte: Die Frage war, nehme ich Flötenstunden oder gehe ich zum Tanzen? Ich wählte ersteres. Erst jetzt, wo ich einigermaßen OK verdiene, leiste ich mir diese Stunden. Soweit ich weiß, ich die schwarze Bevölkerung in den Staaten nach wie vor signifikant ärmer als eine vergleichbare Person weißer Haut. Heutzutage gibt es keine zweifelhaften Tanzschuppen, wo man das noch lernen könnte.
Das andere, darauf wies mich @eishle hin, ist die Angst davor, sich selbst zu repräsentieren. Auch das kann ich gut nachvollziehen. Es würde mir schwer fallen, in Deutschland in einen Dojo zu gehen und Martial Arts zu lernen, vielleicht noch bei einem/r deutschen MeisterIn. Möglicherweise bin ich da zu empfindlich, aber ich würde mich in so einem Umfeld unwohl fühlen. Beinahe gedemütigt, weil mir ein kulturell Außenstehender etwas über meine eigene Kultur beibringen soll. In den USA, wo die kulturelle und gesellschaftliche Kluft und das Selbstverständnis dessen noch ausgeprägter ist, wird das zu einem unüberwindbaren Hindernis.
Vielleicht, und das wäre die positive Lesart der ganzen Sache, hat sich die afro-amerikanische Kultur einfach weiterbewegt. Anstatt nostalgisch in die Vergangenheit zu gucken, wie viele weiße Menschen das tun, konzentriert man sich vielleicht lieber auf das Jetzt und auf das Morgen. Lacht mich ruhig aus, wenn ich Twerking erwähne, aber das ist auch ein genuin schwarzer Tanz, der heute so skandalös ist wie damals Swing-Tanzen*.
Guckt euch ruhig mal alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen von afro-amerikanischen Tanzrevues an - die Performances sind für mich im 21. Jahrhundert immer noch ganz schön gewagt.
Was heißt das für mich als gelbe Person? Ich mache weiter mit einem Gefühl der Dankbarkeit und immer in dem Bewusstsein, dass es ein schwarzer Tanz ist, den ich tanze.
Danke auch an @eishle und @annipasti für ihren Input auf Twitter!
*...den weiße KünstlerInnen für sich erobern zu versuchen. Miley Cyrus und so...
Hallo! Ich finde es auch komisch, was du hast geschrieben, mit dem Cultural Appropriation und Hipsters und Swing usw. Hier in London ist es auch so. Ein Mal hat eine Lehrerin sogar etwas (ich kann das nicht sogar auf Englisch erzaehlen) -- vielleicht "audio blackface"?? "verbal blackface"?? -- getan, es war so so so schlimm. (Entschuldigung, mein Deutsch ist ein bisschen schlimm aber ich wollte sagen, dass ich gluecklich bin, dein Post zu lesen. Kurzlich habe ich auch darueber geschrieben, auf Englisch: https://sparkleandsnarl.tumblr.com/post/145753188425/raceandswingdance )
AntwortenLöschenHi Johanna,
Löschendanke für deinen Hinweis - "audio blackfacing" habe ich bisher noch nicht gesehen in Deutschland, aber ich bin noch nicht lange dabei.
Für das Problem der cultural appropriation gibt es keine einfache Lösung, wenn man weiter Swing tanzen möchte :(
Hallo,
AntwortenLöschenaus der Biographie von Frankie Manning geht hervor, dass die heutigen schwarzen Amerikaner mit Lindy Hop nichts anfangen können, weil sie damit die damalige Zeit und dadurch auch die Unterdrückung durch die Weißen verbinden. Die schwarze Kultur hat sich über Soul und Funk bis hin zum heutigen Hiphop und Rap weiterentwickelt, und gerade Rap/Hiphop wird von ihnen als ihre moderne Ausdrucksform angesehen. Ich würde aber nicht sagen, dass Lindy Hop zu einem Tanz für Hipster geworden ist, da sich zumindest in den mir bekannten Szenen sehr unterschiedliche Leute tummeln. Allerdings hat der Tanz hierzulande ein deutliches Nachwuchsproblem, die meisten Lindy Hopper sind über 30 und wirklich junge Leute sehe ich fast nie.
Zu Lindy Hop kann ich nichts sagen aber dass sich junge schwarze Amerikaner nicht für den Tanz interessieren kann ich mir damit erklären, dass die nachwachsenden Afroamerikanern kaum mehr etwas über die farbige Kultur in den USA wissen. Ich habe vor ein paar Jahren einen Bericht eines afroamerikanischen Professors gesehen, der es als Katastrophe beschrieben hat, dass die schwarze Jugend in Amerika mit dem Namen Louis Armstrong nichts anfangen kann und auch der Musikstil Jazz quasi unbekannt ist. Die alles dominierende Kultur ist die des Hip Hop. Wenn bereits Jazz als Musikstil so unbekannt ist, dann wundert mich das wegen Lindy Hop nicht mehr. Der schwarze Professor beklagte auch, dass es die Weißen sind, die die schwarze Kultur eher würdigen würden als die schwarzen Jugendlichen.
AntwortenLöschenHabe mir aufgrund des Artikels mal auf Youtube einen alten Lindy Hop Clip angesehen und muss sagen ich bin total baff was da abging! 1941! Unfassbar! Bin sprachlos. Könnte man heute wahrscheinlich nur mit CGI Hilfe hinkriegen ....
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