30 days of Blogging. Tag 4. Schmerz!

Wie passend. Quelle: Ian Ransley, CC 2.0


Ich versuche mich gerade auseinanderzufalten. Alles in meinem Körper tut weh. Aber es ist ein guter Schmerz, denn der Weg dorthin hat Spaß gemacht.

Nein, nichts Unanständiges. Ich war tanzen. Letzten Monat setzte ich mir in den Kopf, Swing-Tanzen zu lernen, genauer gesagt Lindy Hop. Also ging ich zu einer Schnupperstunde, es gefiel mir und schon hatte ich einen Anfängerkurs gebucht. Einen Tanzpartner habe ich dort auch aufgegabelt. Während dem Schnupperkurs ergab sich das Gespräch. Ich smalltalkte mit einem meiner Tanzpartner, woraufhin er auf Englisch antwortete, also wechselte ich auf Englisch. M. ist Doktorand für Plasmaphysik aus Bolivien und spricht (noch) kein Deutsch. Ich schlug ihm vor, dass wir gemeinsam einen Kurs machen könnten. Warum sich nicht zusammentun, wenn man noch keinen Tanzpartner hat? Ich spreche gerne Menschen an, die schon von weitem klar als "introvertiert" erkennbar sind. Vermutlich, weil mir Introvertierte näher stehen und man da schon auf einer Wellenlänge ist.

Gestern abend war also meine erste Stunde und ich habe mich sehr amüsiert. Ich hätte keinen Tanzpartner gebraucht, es gab genügend Menschen, die um Pärchen zu bilden. Überhaupt wurde nicht von "Herren" und "Damen" gesprochen, sondern von "Leaders" und "Followers", was schön geschlechterunspezifisch ist. Ich tanze immer als Follower, aber so wie ich die Herren manchmal herumkommandierte, sollte ich es vielleicht als Leader versuchen. 

Schon als Kind mochte ich tanzen und herumhopsen, aber einen richtigen Tanzkurs, wie man ihn auf dem Land in der Pubertät traditionell absolviert, habe ich nie gemacht. Es mangelte sicher nicht an Interesse, sondern schlicht am Geld. Meine Eltern konnten mir einen Kurs nicht zahlen bzw. ich wollte sie nicht darum bitten. Ich stand vor der Entscheidung: Soll ich mein sauer verdientes Geld aus Minijobs und Zeitungaustragen in Musikmachen oder Tanzen investieren? Beides ging nicht. Musikmachen gewann und das Tanzen ließ ich sein.

Überhaupt: Wenn man als migrantisches Arbeiterkind aufwächst, entbehrt man vieler Dinge. Wir fuhren nicht in Urlaub, gingen nie ins Kino, gingen auch nicht essen oder zur Eisdiele. Sportkurse und dergleichen gab es für mich ebenfalls nicht. Stattdessen war meine Freizeit geprägt von Ausflügen in die Stadtbücherei, die ich hoch- und runterlas, Fahrradtouren, basteln, Musik machen und fernsehen. Erst im Rückblick sehe ich, wie verdammt arm meine Familie eigentlich war. Insofern kommt es mir wie ein Wunder vor, dass ich mir mein Leben leisten kann und nicht jeden Pfennig umdrehen muss.

Dass ich mir so etwas Überflüssiges einen Tanzkurs leisten kann - dafür bin ich immens dankbar. Trotz Muskelkater.

Und ich habe es geschafft: Die Steuererklärung ist durch! Auch wenn jung sein schön ist - "having your shit together" fühlt sich hervorragend an. Bitte mehr davon. 

CONVERSATION

6 Kommentar/e:

  1. Oh wie cool! In Erlangen / Nürnberg / Fürth gibt es auch eine Lindy Szene, sag Bescheid wenn du im Land bist :-)

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    1. Muss bestimmt noch ein paar Stunden absolvieren. Aber ich melde mich, wenn ich mal wieder da bin :)

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  2. Yeah, ich hab auch erst vor Kurzem mit Lindy Hop angefangen und es macht echt super viel Spaß und gibt einem ein echtes gutes Gefühl. :) Freut mich, dass es Dir auch gefällt.

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    1. Yay, noch mehr Lindy Hop-Fans! Ich freue mich schon auf die nächste Stunde :)

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  3. Es gibt zu deinem vorvorletzten Absatz (aka deine Situation in einer Migrantenfamilie, just as me) irgendwie gerade keinen Kommentar drauf, aber sinnieren muss ich trotzdem. Mach ich halt für mich, aber danke für den Gedankenanstoß :)

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    1. Man merkt meistens erst später und im Vergleich mit anderen, wie sehr einen diese Lebenssituation eigentlich prägt.

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