30 days of Blogging. Tag 15. Losing my religion.

Schönes Wetter heute.

Für heute habe ich nicht viel zu berichten. Ich saß hauptsächlich an der Nähmaschine. Umarbeiten von alten Kleidungsstücken sind in etwa so aufwendig wie eine Neukreation, je nachdem, wie stark die Änderung ist. Ich arbeite an einem neuen Kleid, das aus einem alten Kittelkleid geschnitten ist. Ich hoffe, es wird tragbar, dann kann ich es euch später mal zeigen.

Außerdem friere ich - doofe Eisheiligen. Zwar muss ich keine Angst haben, dass meine Pflanzen vertrocknen, aber sie könnten ersäuft werden. Das werde ich heute Abend sehen, wenn ich wieder in München bin.

An diesem Pfingstfest war ich auch wieder in der Kirche. Wenn ich bei meinen Eltern bin, ist der Kirchbesuch Pflicht. Meistens macht mir das nichts aus, ich mag das Ritual. Hin und wieder gehe ich auch in München in die Kirche, wobei die Qualität der Predigten zu wünschen übrig lassen. Als Texterin schüttele ich manchmal den Kopf über fehlende Überleitungen, schiefe Bilder und einen erratischen Textaufbau.

Ich hatte erzählt, dass wir immer recht arm waren, sodass wir nicht die typischen Sommeraktivitäten hatten. Eine Aktivität hatte ich vergessen zu nennen: MessdienerIn sein in der Kirche. Es gab Jahre, da verrichtete ich montags, donnerstags, samstags und sonntags den Altardienst. Hinzu kamen manchmal auch dienstags Querflöte spielen im Gottesdienst im Seniorenheim, Beerdigungen und Hochzeiten (da gabs Geld, hurra).

Meine Kirchengemeinde war lange Zeit wie mein zweites Wohnzimmer. Ich mochte, dass ich durch den Altardienst wichtig war und etwas Bedeutendes leisten konnte. Als Kind fehlt es manchmal, ernst genommen zu werden. Mir gefiel die Routine, das abgezirkelte und bisweilen geheimnisvolle Ritual, die turnusmäßigen Feste und Feiern. Routine gibt Sicherheit.

Mit den Jahren ist meine Distanz zur Kirche größer geworden. Das hat einerseits mit dem oberen Management zu tun, andererseits aber auch mit dem Herauswachsen aus dem üblichen Gottesbild von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Einen personifizierten Gott zu haben führt zu allerlei moralischen Dilemmata, vor allem wenn man die These aufstellt, Gott sei allmächtig, allwissend und allgut. Warum nochmal musste die Nachbarstochter mit noch nicht mal 18 an Lungenkrebs sterben? Obwohl sie nie geraucht hat? So einen personalen Gott braucht kein Mensch.

Wenn man hingegen das Göttliche wie die Macht im Star Wars-Universum oder den Heiligen Geist im Christentum oder das Qi im Buddhismus betrachtet, macht das alles mehr Sinn. Um Ben Kenobi zu zitieren:

"Die Macht ist es, die dem Jedi seine Stärke gibt. Es ist ein Energiefeld, das alle lebenden Dinge erzeugen. Es umgibt uns, es durchdringt uns. Es hält die Galaxis zusammen."

Ein Energiefeld kann ich nicht dafür verantwortlich machen, dass es persönlich auf mich sauer ist und mir eine Lektion erteilen will. Es ist halt da.

Ob ich glaube? Ich zweifle, immer, an allem. Mit dem Hochschulpfarrer, mit dem ich für die Aufnahme ins Cusanuswerk meine "Gewissensprüfung" hatte (ja Leute, auch euer Glauben wird vor der Aufnahme überprüft!), sprach ich ganz offen darüber, dass ich nicht an einen personalen Gott glaube und dass das Göttliche für mich eher ein Begriff oder Konzept ist. Man kann nämlich auch ohne Metaphysik ein ganz wundervolles und erfülltes Leben führen, wie ich bei vielen beobachte. Er zitierte daraufhin Meister Eckart, der den Glauben mit einem harten Stück Brot verglich. Schwer verdaulich also, macht Arbeit, hat aber Nährwert. Man braucht wortwörtlich Geduld und Spucke.

Ich möchte Metaphysik in meinem Leben nicht gänzlich ausschließen, einfach weil es Dinge gibt, die außerhalb unseres Verständnisses sind. Spiritualität ist mir wichtig und das wird es auch bleiben. Der christliche Rahmen ist einfach nur das Koordinatensystem, in dem ich aufgewachsen bin. Persönlich halte ich nichts davon, beispielsweise dem Buddhismus nachzugehen, weil ich mich kulturell dort nicht heimisch fühle.

Eine Sache muss ich noch loswerden - einen Witz, den der Herr Kaplan zum Schluss des Gottesdienstes gestern zum Besten gab:

"Es ist kurz vor den Sommerferien. Gottvater, Gottsohn und Gott Heiliger Geist diskutieren, wohin sie in Urlaub fahren wollen.
'Ich glaube, ich bleibe dieses Jahr im Himmel', so Gottvater.
'Ich denke, ich fahre mal nach Amerika - auf keinen Fall nach Israel. Mein letzter Besuch endete unschön', sagt Gottsohn.
Daraufhin der Heilige Geist: 'Ach, ich werde mal nach Rom fahren - dort war ich noch nie.'"

Übrigens bedeutet Losing my Religion laut Wikipedia "aus der Haut fahren" oder "die Nase voll haben" und ist ein Ausdruck aus den Südstaaten. R.E.M. stammen bekanntlich aus Athens, Georgia. Das Ganze hat also rein gar nichts mit Religion zu tun.

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