30 days of Blogging. Tag 13. Schafe in der Stadt und feministischer Smalltalk.

Das schwarze Schaf bewegt sich nie.


Dieses Pfingstwochenende bin ich wieder bei meinen Eltern in der Provinz: Ein bisschen auftanken, ein bisschen Ruhe haben. Viel zu viel essen und die Overlock-Nähmaschine meiner Eltern verwenden.

Wenn ich mal da bin, unterhalte ich mich viel mit meinen Eltern. Mein Vater zeigte mir Bilder meiner Tante auf Facebook, dann ging es zu Verwandtschaftsverhältnissen und schließlich zu den alten Geschichten.

Mein Opa väterlicherseits war damals zu Kolonialzeiten bei den Franzosen angestellt, offiziell als Soldat. Gekämpft hat er aber nie - stattdessen kümmerte er sich um häusliche Pflichten (er arbeitete in der Kaserne in der Kantine). Überhaupt scheint das auch die Rolle von VietnamesInnen für die französische Kolonialmacht gewesen zu sein.

Mein Vater erzählte, dass er damals, als er im Mekong-Delta untergetaucht war (nicht wortwörtlich - long story...), einen ehemaligen Soldaten traf, der während des Zweiten Weltkriegs aufseiten Frankreich gekämpft hat. Naja, nicht gekämpft. VietnamesInnen wurden in der Küche beschäftigt, bei den Pferdekoppeln oder in der Waschküche, aber nicht auf dem Schlachtfeld.

"Kein Vietnamese durfte jemals ein Gewehr für die Franzosen halten", so mein Vater.
Einerseits war das sicher von Vorteil, weil man leichter überlebte. Andererseits riecht das nach einem rassistischen Bild von Südostasiaten: Dass sie nicht kämpfen können und "verweiblicht" seien, also keine echten Männer. (Weiß jemand historisch bewandertes etwas über die VietnamesInnen in Europa während des Zweiten Weltkriegs?)

Und wann mein Vater tatsächlich Geburtstag hat, wissen wir immer noch nicht. Als Vietnam geteilt wurde und die Familie meines Vaters aus dem Norden (Quang Binh) nach Danang floh, verbrannte mein Großvater vorher alle Dokumente, die ihn mit den Franzosen in Verbindung bringen könnte. Unter anderem auch ein Nachweis, den ihn zu einer französischen Soldatenpension berechtigt hätte.

"Auf jeden Fall im Jahr des Affen", sagte mein Vater.

Heute Nachmittag ging ich mit Schwesterherz und Mutter in den Discounter in der Nähe um Backzutaten zu kaufen und was sah ich? Eine Herde Schafe auf einem unbebauten Grundstück! Schwesterherz und ich waren begeistert. Anscheinend halten die Schafe die Wiese in Ordnung als natürliche Rasenmäher.

"Das schwarze Schaf bewegt sich nie", so meine Mutter, "ich habe es noch nie stehen sehen".

Schwesterherz und ich standen an der Kasse und sahen die Auslage für Kinder Schokolade. Meine Mutter war schon vor uns draußen.

Schwesterherz: "Das Kind auf der Packung sieht genauso aus wie früher, nur die Frisur ist neu."

Ich: "Sie hätten das alte Kind einfach mit Photoshop bearbeiten können."

Schwesterherz: "Die könnten eigentlich auch mal ein Mädchen nehmen können."

Ich: "Ja, warum eigentlich nicht."

Eine Frauenstimme: "Es sind nie Mädchen. Egal, wo man schaut, es sind immer Männer."

Eine Frau in der Warteschlange hatte sich in unserer Gespräch geschaltet. Was dann kam, kann man eigentlich nur als feministischen Smalltalk bezeichnen. Wir sprachen in wenigen Sätzen über mangelnde weibliche Repräsentation ("es sind fast immer nur Jungen auf den Packungen, auch bei Brandt Zwieback"), unfaire Machtverhältnisse ("Frauen verdienen weniger") und Geschlechterrollen ("Männer fragt man nie, wie sie das mit Kinderbetreuung machen"). Es war ein sehr angenehmer, alltäglicher Moment weiblicher Solidarität.

In München wäre mir das wahrscheinlich nicht passiert. Provinz ist manchmal auch ganz gut.

Und jetzt entschuldigt mich bitte. Ich muss ESC gucken und dabei Schneewittchenkuchen essen. *woohoo*

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