Auf Twitter und Facebook wurde gebeten, dass ich auch mal wieder Nagellackposts mache. Einer meiner Vorsätze für dieses Jahr war genau das. Es ist sicherlich noch nicht zu spät damit anzufangen. Diese Woche also ganz simpel.
Das heißt, nicht komplett simpel. Ihr kennt mich, einfach einfarbig ist bei mir fast nie zu finden. Der "Glitzer"-Lack mit türkisen und schwarzen Sprenkeln gefällt mir sehr gut. Er stammt aus einem Shop, der in den Nuller Jahren stehen geblieben schien: Emily The Strange, Nightmare before Christmas, Punkrock und anderer Nerd- und Emo-Kram waren dort zu finden.
Entsprechend war auch die Nagellackflasche in Form eines Totenkopfs. Süß.
Da ich gerade zu faul bin, die Bilder in Photoshop nachzubearbeiten, wähle ich "come as you are": Mit leicht vermalt, trockener Nagelhaut und unscharfem Licht.
Die Sechseckigen Sprenkel im Lack liegen nicht ganz flach auf dem Nagel - man müsste sie also ordentlich legen. Aber wer hat schon Zeit dafür?
Die Bilder habe ich mit einem Samsung Galaxy S1 gemacht. Ein uraltes
Modell von 2011, älter als mein Fairphone 1. Aber guess what: Die Kamera
hat eine Makro-Funktion, etwas, das ich beim ersten Fairphone vermisse.
Das reicht aber für mich nicht aus, mir noch ein Teil Elektroschrott zu
holen.
Ich warte einfach, bis Storebror oder Papa ihre Smartphones aussortieren - eben wie das Samsung Galaxy S1 von 2011.
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Februar 2016
Die Liebe ist ein seltsames Spiel.
Die Liebe ist wie eine Kartoffel. Am besten schmeckt sie frittiert. / Bild: flickr, CC 2.0 |
Meine Mutter und ich saßen am Samstag am Esszimmertisch und frühstückten. Das machten wir inzwischen fast immer, wenn ich meine Eltern zuhause besuchte. Anders als der Rest der Familie stand ich auch am Wochenende zu Bürozeiten auf.
Ich blätterte die Wochenendausgabe der örtlichen Zeitung durch, während ich an meiner Semmel kaute. Meine Mutter setzte sich irgendwann dazu. Sie nutzte die Zeit immer, um mit mir zu reden. Manchmal war es awkward, manchmal nervig, manchmal aufschlussreich.
"Ich bin froh, dass es dir gut zu gehen scheint."
Verwundert blickte ich sie an. Warum sollte es mir nicht gut gehen?
"Diesen einen Typen hast du inzwischen vergessen," fuhr sie fort. "Zumindest redest du nicht mehr über ihn."
Achja. Das.
"So wie du redest und wie du mit Geld und deinem Leben umgehst, weiß ich, dass du extrem schlau und intelligent bist. Aber wenn es um die Liebe geht, hast du noch viel zu lernen."
Klassisches asiatisches Kompliment: Nach dem Lob kommt immer gleich eine Relativierung. Damit man bloß nicht überheblich wird. Meine Mutter hatte also den Eindruck, dass ich in Beziehungsdingen einfach doof war. Danke, Mama.
"Das kann schon sein," entgegnete ich. "Woher soll ich denn wissen, ob jemand dauerhaft zu mir passt? Wie hast du zum Beispiel gewusst, dass Papa für dich der Richtige ist?"
Meine Mutter begann zunächst zu erzählen, wie sie sich kennen lernten: Wie sie im selben Dorf aufwuchsen, wo sie sich zuerst begegneten, und wie Dating im ländlichen Vietnam der Siebziger verlief: Gar nicht. Wenn man sich traf, dann nie alleine, sondern man besuchte zum Beispiel die Familie zu Hause. Alle saßen im Wohnzimmer und redeten miteinander. Händchenhalten, Küssen? Fehlanzeige.
Ich wurde ungeduldig. Die Geschichte kannte ich in dieser oder jener Form schon, doch das beantwortete nicht meine Frage: Wie zum Teufel erkennt man, ob es passt oder nicht? Bei einigen hatte ich gedacht, dass es passt, aber ich wurde jedes Mal eines Besseren belehrt.
"Woher wusstest du denn, dass Papa der Mann für dich ist?" platzte ich heraus.
"Er ging regelmäßig zur Kirche, jeden Tag um fünf Uhr, obwohl er am anderen Ende des Dorfs wohnte. Auch sonst verhielt er sich sehr höflich und anständig allen gegenüber, das gefiel mir. Ich wusste, dass dein Vater ein Auge auf mich geworfen hatte - wenn jemand an dir interessiert ist, siehst du das in den Augen. Da leuchtet etwas auf. Etwas, das man normalerweise nicht sieht. Die Augen sind der Spiegel der Seele, sagt man im Vietnamesischen."
Übrigens auch im Deutschen, aber die Aussage verkniff ich mir. Heutzutage ist es selbst bei den "Anständigen" nicht sicher ob sie bei einem bleiben. Oder ob man selbst bei ihnen bleiben möchte.
Wie meine Mutter so über ihre Jugend erzählte, schien sie jünger zu werden. Glückliche Menschen haben alle den selben Gesichtsausdruck, eine Art Seligkeit, die aus jeder Geste spricht. Meine Mutter fuhr fort, sprach von anderen Männern, die in ihrem Leben jemals an ihr interessiert waren: Damals in Vietnam im Heimatdorf, aber auch im Flüchtlingsheim in Deutschland, beim Einkaufen, selbst in der Kirche. Und sie merkte natürlich, wenn andere Frauen an meinem Vater interessiert waren. Sie zogen sich gegenseitig gerne damit auf.
Meine Eltern scheinen zu der Generation zu gehören, die wesentlich geschulter ist, soziale oder emotionale Signale zu empfangen. In einem Dorf guckt jede/r nach jedem/r, man pflegt wesentlich engere Kontakte und lernt, Menschen zu lesen. Menschen zu lesen wird umso einfacher, je häufiger man mit ihnen interagiert. Wer im selben Dorf aufwächst, kann Menschen in verschiedenen Altersstufen sehen, wie sie mit anderen umgehen - seien das Familie, Freunde, Bekannte, Fremde, Respektspersonen usw. Das vermittelt ein plastischeres Bild von einem Menschen und vermutlich birgt das seltener unangenehme Überraschungen als beim Datingspiel.
Was meine Mutter beschrieb, kannte ich von den Alt-68ern und den Damen aus meinem Kirchenchor. Die bemerkten verstohlene interessierte Blicke quer durch den Raum sofort, während ich oft genug absolut keine Ahnung hatte, was da vor sich ging. Selbst wenn es mich betraf. Und nein, soziale Medien helfen _nicht_ dabei, sozialer zu werden.
Möglicherweise hat mein Status als "Fremde" in dieser Gesellschaft etwas damit zu tun. Ich wuchs im Bewusstsein auf, Outsiderin zu sein, hielt den Kopf geduckt und versuchte, möglichst wenig Konflikt zu verursachen. Menschen sind wie Bücher: Wer keins von beidem genau studiert, versteht die Welt nicht. Bisweilen empfinde ich mich als soziale Analphabetin. Vielleicht ist das ein Generationending, vielleicht aber auch ein kulturelles Problem. Man muss nur mal S-Bahn fahren: Niemand sieht irgendjemanden an. Ich ließ letztens zum Versuch meinen Blick schweifen und beobachtete die Menschen im Abteil. Nie begegnete ich einem anderen Paar Augen. Alle schauten vorbei.
"Nehmen wir an, dass es in deinem Dorf noch andere Jungs gegeben hätte, die ähnlich anständig und höflich gewesen wären - hättest du sie in Erwägung gezogen?"
Meine Mutter blickte verlegen, ihre Augen schweiften in die Ferne. Kam jetzt die Weltformel langer, dauerhafter Beziehungen? Etwas, das ich selbst anwenden konnte?
"Nun ja - dein Vater sah in seiner Jugend sehr gut aus..."*
*Bilder von meinen Eltern in jung gibt es hier.
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Das rote Haus in der Sackgasse. Über vietnamesisches Wohnen.
Our house. In the middle of the street. |
Ich besuche meine Eltern ganz gerne. Nichts schlägt hausgemachtes vietnamesisches Essen, für das ich selbst nicht in der Küche stehen musste. Ein Wochenende lang sich pflegen lassen, ein wenig Urlaub machen von den lästigen Erwachsenenpflichten.
Was mich immer etwas Umstellung kostet: Das Haus. Versteht mich nicht falsch, es ist ein gemütliches Haus, ein Reihenhäuschen, das sich meine Eltern hart erspart und erarbeitet haben. Ich verbrachte einen Großteil meiner Teenager-Jahre dort. Es steht in meiner Geburtsstadt und es ist unverkennbar: Rot. Mit blauen Punkten.
Das war nicht immer so. Als wir einzogen, war das Haus in einem schmutzigen Grau. Es war nie grau gestrichen worden, Abgase hatten dafür gesorgt, dass es schmuddelig und trist aussah. Das erste, was meine Eltern aufhübschten, waren die Fensterrahmen oder genauer gesagt, die Mauer um die Fensterrahmen und das Außensims: Mein Vater strich es in abenteuerlichen Aktionen, in denen er sich wortwörtlich weit aus dem Fenster lehnte, knallblau.
Dann passierte jahrelang nichts. Meine Eltern tobten sich innerhalb des Hauses aus. Mintgrüne Wände, kitschig anmutende Lackbilder mit Perlmutteinlagen, tausende Zimmerpflanzen und Familienfotos. Ein überbordender Hausaltar mit bunten Lichtern. Allerhand christliche Andachtsbilder. Ich weiß nicht, wer im Westen jemals das Konzept des "minimalistischen asiatischen Wohnstils" à la Zen entwickelte. Vermutlich kein/e Asiate/in.
Unser Hausaltar wurde gefeaturet in einer Facharbeit über Altäre in Mittelfranken. |
Egal, ob ich bei Bekannten oder Verwandten zu Besuch war, egal, ob es in Italien, Japan, Vietnam oder der Schweiz war: VietnamesInnen aus der Generation meiner Eltern pflegen einen eklektischen, farbenfrohen Wohnstil. "Tone it down" ist kein Konzept, das in Südostasien erfunden wurde. Mehr ist immer mehr.
Als ich jünger war, überwarf ich mich regelmäßig mit meinen Eltern bezüglich ihrem ästhetischen Empfinden: Sie wollten bunt und farbenfroh mit vielen lustigen Mustern. Ich wollte Ruhe für die Nerven, Leere und weiße Wände. Sie nutzten jedes bisschen Platz, ich wünschte mir nichts sehnlicher, als den gesamten Krempel zum Recyclinghof zu bringen. Es wurde erst besser, als ich auszog und ich meine Wohnungen selbst gestalten konnte.
Aber zurück zum Haus. Als das Dach erneuert und das Haus ohnehin eingerüstet werden sollte, nutzten meine Eltern die Gelegenheit, das Haus neu zu streichen. Sie baten Schwesterherz, anhand eines Fotos einen Entwurf in Photoshop zu machen. Dieser erste Entwurf sah vor, dass die beiden Stockwerke in apfelgrün bzw. knallorange gestrichen wurden. Apfelgrün und Knallorange.
Treppenaufgang mit Originalwerken von Naekubi und Schwesterherz, ca. 2003. |
In Deutschland braucht man grundsätzlich für optische Veränderungen an Gebäuden eine Genehmigung. Meine Eltern gingen also zum zuständigen Bauamt, in der Hoffnung, diesen Entwurf durchzubekommen. Schließlich wohnten wir nicht mitten im Stadtzentrum, sondern in einer Sackgasse mit
Leider war ich selbst nicht dabei, aber meine Eltern schilderten das Ereignis im Bauamt folgendermaßen: Bei ihrem Termin legten sie ihre Pläne für das Haus sowie das Mock-Up-Foto vor. Der Sachbearbeiter sah es sich an, fand Gefallen an dem Entwurf. Sogar großen Gefallen. Deshalb lautete seine Antwort: Nein.
Nein?
Das könne er nicht genehmigen, das sei ein zu großer Eingriff in die Gesamtoptik des Stadtteils. Meine Eltern müssten sich etwas anderes überlegen. Leider leider.
Ob er denn das Bild behalten dürfe?
Der Beamte bekam das Bild nicht. Stattdessen entwickelten
Auch wenn es nicht das Haus in Orange/Knallgrün wurde: Selbst rot mit blauen Punkten reichte, damit unser Haus eine Attraktion wurde. Eine Zeitlang kamen zahlreiche Spaziergänger vorbei, um sich das rote Haus mit den blauen Punkten anzusehen und es zu fotografieren.
Ich selbst habe mich mit dem Wohnstil meiner Eltern versöhnt. Klar, es ist nach wie vor nicht meins, aber hier geht es um den Ausdruck ihrer Persönlichkeit, nicht meiner. In einer Welt, wo es oft genug ernst und düster zugeht, brauchen wir Farben, Kitsch, vielleicht sogar Unsinn. "Bunt" ist Ausdruck für Lebensfreude, nicht umsonst ist Pippi Langstrumpfs Haus die "Villa Kunterbunt".
Außerdem: Wer sich die Nägel mit Glitzer lackiert, sollte nicht mit Farbe werfen.