Naekubi auf Tinder Part 3: Asiatisch-deutsches Dating und ein Happy End.



Love for all - Matthias Ripp, CC

Dritter und letzter Teil meiner Serie über meine Erfahrungen auf Tinder. Es wird süßlich, wie das so mit Happy Ends ist. Ich habe euch jedenfalls vorgewarnt.



Hamburg aus Salzteig

Ich stand in einem kleinen Souvenirladen an den Hamburger Landungsbrücken. Es war noch nicht zu spät, so um sechs Uhr. Das Büro hatte ich gerade verlassen, um noch etwas von der Hansestadt zu haben. Wenn ich schon für die Arbeit da war, wollte ich zumindest die Zeit nach Feierabend nutzen, den Flair des Nordens zu genießen. Der Laden war die typische Touristenfalle: Direkt an einer bekannten Attraktion gelegen, mit viel Nippes und nutzlosem Zeug, das als Erinnerungsstück für daheim dienen sollte. Die vielen Magneten hatten mich in das Geschäft gezogen - es gab große, kleine, Magneten aus Metall, aus Plastik, Salzteig, Gummi, Keramik. Mein Gefährte sammelt aus einem mir unbekannten Grund solche Magneten und lässt sie sich gerne von anderen mitbringen. Sie hingen bei ihm im Wohnzimmer an einer Pinnwand, dort wo auch die Weltkarte hing, wo man die Länder freikratzen konnte, die man schon besucht hatte.

Lange betrachtete ich die Magneten und suchte das passende Modell für meinen Gefährten. Ich fand einen, der mir gut gefiel: Er war einem alten Reklameschild für die Hamburger Reeperbahn nachempfunden. Irgendwie minimalistisch, typographisch interessant, etwas nostalgisch. Genau meins. Lange wog ich das Souvenir in der Hand, spürte das kühle Metall. Ich wollte schon bezahlen, als mein Blick noch einmal auf die Modelle aus Salzteig fiel. Sie waren von Hand bemalt, trugen ein buntes Relief vom Hamburger Hafen. Ein Dampfer tuckerte durch das Bild, freundlich auffällig in Rot und Blau gehalten. Ein bisschen arg verspielt, sehr touristisch. So wie die restlichen Magneten an der Pinnwand meines Gefährten, wo norwegische Lachse neben Trampeltieren aus Dubai und japanischen Kranichen hingen. Ich ließ das durchdesignte Modell liegen und nahm lieber den Salzteig-Hafen. Er würde sich darüber freuen, da war ich mir sicher. Wer hätte gedacht, dass ich durch Tinder mit jemandem zusammen sein kommen könnte, der solche Magneten sammelt? Und dass ich keinerlei Problem damit hatte, ihm solche Magneten mitzubringen?


Taking the leap of faith

Er war ein Typ in meinem Alter, der eindeutig asiatisch aussah, trotz deutschem Namen. Wir hatten ein "Match", ich schrieb ihm aber nicht direkt, weil ich mich bereits mit jemand anderes traf. Ich fahre sicherlich nicht zweigleisig. Ich hatte nach rechts gewischt, weil er nett aussah. Nicht überbemüht, keine übertriebenen Action-Fotos und dergleichen. Einfach normal. Er meldete sich recht schnell bei mir. Wir chatteten hin und zurück - ich finde es unhöflich, Chats tagelang unbeantwortet stehen zu lassen. Es war nett, angenehm, nichts Außergewöhnliches. Er und ich bemühten uns um einen flüssigen Chat, ohne Pausen von Tagen oder gar Wochen zwischen den Nachrichten. Schon beim ersten Chat schlug er ein Treffen vor. Warum nicht, dachte ich. Ich versuchte mich von der Tatsache, dass er asiatische Wurzeln hatte, nicht beirren oder gar verunsichern zu lassen. Denn bisher hatte ich immer nur mit Weißen zu tun gehabt. Zum einen lag es daran, dass kaum andere AsiatInnen in meiner Umgebung lebten, zum anderen lehnte ich es selbst ab. Ich hatte meine Gründe. Keine guten Gründe, aber nichtsdestotrotz Gründe.


Wir trafen uns recht bald, beide neugierig, wie es sein würde. Als Treffpunkt machten wir ein Tex-Mex-Lokal aus, das er vorgeschlagen hatte. Das Restaurant war uns beiden unbekannt, vielleicht war es eine Metapher für unser Aufeinandertreffen: Wir beide betraten unbekanntes Terrain, ich hatte Vorbehalte (ihm und dem Restaurant gegenüber), aber es wurde nett und angenehm, wenn auch unspektakulär. Irgendwie ganz gemütlich und nicht so schlimm wie befürchtet. Wir merkten beide: Es gab Themen, bei denen wir uns blind verstanden. Frage nach der Herkunft? Anders-Behandlung? Das Gefühl, nichtweiße Menschen wären weniger attraktiv? Und dass das alles Quatsch war? Wir lachten beide darüber, es hatte eine kathartische Wirkung, jemanden zu erleben, der genau diese Konflikte kannte. Vielleicht sogar noch mehr kannte als ich das tat: Im Gespräch stellte sich heraus, dass er halb-deutsch, halb-indonesisch war. Der Riss ging also mitten durch seine Familie. Wir sprachen ehrlich darüber und lachten über diese dämlichen Rollen, die uns zugewiesen wurden.

Nach dem ersten Date trafen wir uns immer wieder. Auch wenn es gut lief, nagte der Zweifel an mir: ein asiatischstämmiger Typ, konnte das gut gehen? Er war so vorsichtig, fast zu behutsam. War das nur er oder war das eine Eigenart asiatischer Männer (dabei war er ja auch halbdeutsch, das "übersah" ich aber irgendwie). Man sagt diesen im Westen ja nach, dass sie im Wettrennen um Attraktivität den Kürzeren ziehen. Ich war dominanter auftretende Männer gewohnt, mich selbst schätzte ich als jemanden ein, die in Beziehungsdingen einen Schubs brauchte. Dass ich selbst die Initiative ergreifen müsste, schreckte mich. Ich zweifelte und verzweifelte an meinen eigenen Zweifeln. Verfluchte mich dafür, dass ich schon nach den ersten Treffen der Gedankenspirale abwärts nicht entrinnen konnte. Schwesterherz gab mir den Rat, der Sache Zeit zu geben. Ich war noch nicht ganz überzeugt.

Ich mochte ihn, ernsthaft, nur seine Zurückhaltung störte mich. Er brachte mir schon zum zweiten Date Nagellack als Geschenk mit (sogar Farben, die ich noch nicht besaß). Er war aufmerksam und geduldig und hatte Humor. Dennoch, ich zweifelte. War er mir nicht doch zu gutmütig? Zu einer Entscheidung durchringen konnte ich mich erst, als mein bester Freund sich die Geschichte angehört hatte. Auch ihm klagte ich meine Bedenken, dass mein Date zwar nett und lieb war, dass ich mit ihm lachen konnte, dass er aber so zurückhaltend war. Mein bester Freund sagte daraufhin:

"Naekubi, weißt du, was schrecklich ist?"

- Nein, was?

"Halbemanzipierte Frauen. Wenn eine Frau total ein Mäuschen ist, ok, wenn eine Frau komplett die Führung übernimmt, auch wunderbar. Aber die Frauen, die irgendwo dazwischen sind - mit denen kann man kaum umgehen. Da kann man es nicht richtig machen, weil die selber nicht wissen, wer sie sind."

Das saß. Er traf einen wunden Punkt bei mir. Hier ging es nicht nur um meine Probleme mit Geschlechterrollen und meine Position darin. Ich hatte ganz offensichtlich Probleme damit, das Asiatische, das Fremde an mir wirklich anzunehmen. Meine eigene Unsicherheit darüber, wer ich war, projizierte ich auf ihn. Ich musste schlucken. Wollte ich eine Frau sein, die darauf angewiesen war, dass ihr Partner bestimmten Rollen entsprach oder wollte ich jemand sein, die auf Zuschreibungen der Mehrheitsgesellschaft sch*ss und das tat, was gut für sie war? Es war höchste Zeit, dass ich diese Entscheidung fällte.

Ich entschied mich für ihn und für das Asiatische. Ich habe es nicht bereut.
 

Hinterher ist man immer klüger.

Der Gefährte ist also ein fester Bestandteil meines Lebens geworden. Im Nachhinein finde ich es lachhaft, wie viele Sorgen und Gedanken ich mir darüber gemacht habe. Oder genauer: Welche Sorgen wir uns gemacht haben - für ihn ist eine Beziehung mit einer Asiatin auch eine neue Erfahrung und er zweifelte genauso, was seine Vorsicht vielleicht erklärt. Aber das ist ja das Kreuz: Man muss es gemacht haben. Hinterher ist man immer klüger.

Meine Kämpfe mit meiner Identität sind fast verschwunden. Bei ihm ist mein Asiatischsein kein großes Thema oder gar eine Besonderheit. Er kennt das zu einem gewissen Grad selbst. Goethe schrieb im Faust: "Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein" und Recht hat er. Ich bin nicht Asiatin, ich bin nicht Vietnamesisch-Deutsche, ich bin nicht seltsam, ich bin nicht schwierig - ich bin ich.

"Nur eins nervt," so der Gefährte.

"Jetzt werden wir beide für Ausländer gehalten."

Aber zumindest passiert uns das zusammen. <3>

So kann das bleiben. Danke, Tinder.

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