SchleFaZ - das schlechteste Fernsehen aller Zeiten, das anti-asiatische Ressentiments bedient

Yellowface, Transphobie und Fatshaming gesucht? - SchleFaZ bietet alle drei.

Blogleserin Maria D. schickte mir den Link zu Oliver Kalkofes Sendung "SchleFaZ - die schlechtesten Filme aller Zeiten", laut Wikipedia eine Satiresendung auf TELE 5, die B-Movies aufs Korn nimmt. In der neuesten Ausgabe von SchleFaZ geht es um einen Eastern: Oliver Kalkofe und sein Partner Peter Rütten sehen sich diesmal einen Hongkong-Klamauk-Streifen an, der im Deutschen den so rassistischen wie dämlichen Titel "Schlitzohr und Schlitzauge - Der Dampfhammer von Send-Ling" trägt. Ich denke, das Problem wird schnell deutlich.





Der Film stammt von 1979 und kam Anfang der 80er in Deutschland in die Kinos. Man sieht schnell, dass dieser Film günstig produziert ist, schlecht geschrieben und gemacht wurde, mit einem Plot so löchrig wie Emmentaler. Das gesamte Geld des Films ging vermutlich für die Kampfchoreographien und Sound-Effekte drauf. Das kann und darf man natürlich kritisieren, was Oliver Kalkofe und Peter Rütten ausgiebig tun. Den Rassismus, der die gesamte deutsche Fassung durchzieht wie der Schweißgeruch in der Münchner U3 im Hochsommer kurz nach 17 Uhr, lassen sie aber unberührt. Noch schlimmer, sie verstärken ihn durch ihre "Satire" noch.

"Der Dampfhammer von Send-Ling" - eine Filmfassung voller Rassismus


Da wäre der Titel "Der Dampfhammer von Send-Ling, oder: Schlitzohr und Schlitzauge", den Kalkofe und Rütten lediglich als unlustiges Gimmick erwähnen. Dass er zutiefst rassistische Klischees von der komischen chinesischen Sprache abbildet und dass Schlitzauge für AsiatInnen eine ungeheuer beleidigende Bezeichnung ist, ähnlich dem N-Wort? Nicht kritikwürdig, im Gegenteil: Gleich zu Anfang machen sie mit der Nennung aller Beteiligten sowie den dazugehörigen Namen klar, dass sie Kantonesisch für maximal witzig halten. Im Englischen heißt der Film lediglich Crazy Couple und spielt auf die beiden etwas eigenartigen Hauptcharaktere an, die, obwohl sie sich nicht mögen, als Team zusammenarbeiten müssen. (Ja, Ableismus, ich weiß. Wir behandeln hier eine Diskriminierung nach der anderen.)

Zum anderen ist da die übertrieben auf Klamauk getrimmte Synchronisation mit Dialektsprechern, die sicherlich auf der Idee fußte: "Stellt euch vor, wenn ein Chinese Bairisch sprechen würde! Oder berlinerisch! Oder sogar schwäbisch! Das wäre sooo lustig!" Ob die Figur Sek Tin Kwan im Original auch eine "uneindeutige" Sexualität hat, ist schwer zu sagen. Die Synchronisierung suggeriert, dass er homosexuell ist. Auch das ist der Sendung eine Tirade an nicht-lustigen Beleidigungen wie "Tunte" wert.

Der Film wird in der Sendung ganz gezeigt, gespickt mit Einblendungen, sogenannten Captions, die lustig sein sollen. Auch hier ein ganzer tiefer Griff in die rassistische Klamottenkiste: Der Affe vom Anfang des Films wird natürlich "als Proviant" verwendet, weil ChinesInnen ja "alles essen, was einen Puls hat" (O-Ton Rütten). Die kulturellen Essenspraktiken in China sind wesentlich komplexer, wie ein Artikel des SZ Magazin zeigt. Darauf kann man aber nicht eingehen, weil schon der nächste rassistische Gag jagt: Es geht weiter mit Begriffen wie "geistesgestörte China-Transe" als Bezeichnung für die unattraktive, dicke, scheinbar geistig zurückgebliebene Tochter des Arztes, deutlich sichtbar gespielt von einem Mann. Wow, Fat Shaming, Ableismus, Transphobie und Rassismus in einem Ausdruck! Reife Leistung. Noch viele andere Begriffe stehen in den Einblendungen, die sich bei mir jedes Mal wie ein Schlag auf den Solarplexus anfühlten: Mir blieb vor Entsetzen die Luft weg.

Der selbe Fehler wie bei Colbert


Satire ist an sich schon in Ordnung. SchleFaZ macht einen guten Job, die schlechte Produktion, die ständig wechselnden Dialekte bei manchen Charakteren, den Plot, der in alle Richtungen mäandert und die völlig überzeichnete Schauspielerei herauszustellen. Was er aber geflissentlich übersieht, ist der absolut rassistische Unterton der deutschen Fassung. Der gesamte Film wurde unter unglaublich rassistischer Prämisse vermarktet.

Und Kalkofe und sein Partner machen munter dabei mit. Yellowface, das Lustigmachen über kantonesische Namen, die Captions. Das Verstärken aller denkbaren Klischees. Keine beißende Kritik zum Filmtitel, der extra beleidigend für asiatische Menschen ist, oder dass über die neue Namensgebung von Charakteren (Li Mops, WTF?) und die Synchronisierung asiatische Menschen lächerlich gemacht werden. Das alles hätte man kritisieren müssen und wäre wesentlich intelligenter, als qualitative Kritik an einem Hongkong-Streifen zu üben. Englischsprachige YouTube-Filmkritiker sind SchleFaZ in Sachen Originalität und Witz meilenweit voraus - da wurde ich noch nie beleidigt, aber totgelacht habe ich mich dennoch.

Es ist dasselbe Spiel wie mit #CancelColbert, wo Steven Colbert versucht hat, die Mikroaggressionen und den Alltagsrassismus gegen Native Americans zu enttarnen und dadurch zum Rassist und Aggressor gegen asiatische Menschen wurde. SchleFaZ schlägt in dieser Episode in die selbe Kerbe. Kalkofes Counterpart Rütten spielt den dummen, begrenzten, vorurteilsbehafteten Bauern, der keine Ahnung hat und alle seine Ressentiments vom Stapel lässt. Er macht das so überzeichnet, dass es eigentlich klar sein sollte, dass es uneigentlich und damit satirisch gemeint ist. Diese Lesart ist aber kein Selbstläufer.

Satire als Mobbing


Satire, die nach unten tritt, ist vor allem eins: systemkonformes Mobbing. Ein wissenschaftlicher Artikel aus Personality and Social Psychology Review beschäftigt sich mit "Disparagement Humor", also herabwürdigendem Humor. Darin kommen Ford&Ferguson zu folgenden Schlüssen:

Herabwürdigender Humor hat gesellschaftliche Folgen und ist stillschweigende Duldung von Diskriminierung

Humor in den Medien wie der bei SchleFaZ steckt den Rahmen ab, was in unserer Gesellschaft OK ist und was nicht. Die Sendung suggeriert: Es ist in Ordnung, sich über AsiatInnen lustig zu machen. Dadurch, dass die Herabwürdigungen in einem leichten, humorvollen Kontext passieren, ist es schwer für die Herabgewürdigten, sich dagegen zu wehren und die Konversation auf eine ernsthafte Ebene zu bringen: "Ist ja alles nur Spaß!" "Verstehst du keine Witze?" "Da musst du drüber stehen" Die Betroffenen werden dadurch systematisch nicht ernst genommen und ihre Sichtweise geleugnet.

Bei Menschen mit vielen Vorurteilen sorgt herabwürdigender Humor dafür, dass sie ihre Vorurteile als gesellschaftlich akzeptiert ansehen 

Satire soll eine Überzeichnung der Wirklichkeit sein, so stark, dass alle BetrachterInnen die Absurdität und Falschheit der Aussagen erkennen. Aber was Wunder: Das funktioniert nicht bei Menschen, die diese Absurdität als Wahrheit ansehen! Es gibt in diesem Land nun einmal viele Menschen, die es völlig in Ordnung finden, Menschen mit anderer Herkunft als Witzfiguren oder gar als Feindbilder zu betrachten. Während Ford&Ferguson auf Menschen ohne Vorurteile keinen Effekt von herabwürdigendem Humor feststellen konnten, liegt der Fall ganz anders bei solchen, die ohnehin schon Ressentiments hegen.
 
Menschen mit vielen Vorurteilen nutzen herabwürdigenden Humor als Vorlage, wie sie Fälle von Diskriminierung bewerten sollen

Nehmen wir an, ich würde auf der Straße als Hundefresser, Hongkong-Hampelmann oder Pekingoper-Psycho (merke: alles Begriffe aus der Sendung!) bezeichnet. Wie groß haltet ihr die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der die SchleFaZ-Sendung super fand, mir zur Seite springt? Ich wage zu behaupten: Null. Eher würden sie sich gegenseitig auf die Schulter klopfen, von wegen "Du hast SchleFaZ auch gesehen! Geiler Scheiß!" Durch diese Satire fühlen sie sich bestätigt, dass ihre Ansichten richtig, möglicherweise sogar die Mehrheitsmeinung sind. Jemand, der/die SchleFaZ' rassistische Witze lustig findet, wird vielleicht nicht sofort ein Flüchtlingsheim anzünden. Aber er/sie wird vermutlich nichts dagegen unternehmen.

Denk ich an Deutschland in der Nacht...

Die beiden Moderatoren verstärken und bestätigen nur den Rassismus des "Dampfhammer von Send-Ling". Es ist zwar nett, dass Peter Rütten "irgendwie exotisch aussehende Menschen Dialekt sprechen lassen" nicht lustig findet, das macht aber die alliterierende Anti-Asiaten-Ansprache von 30 Sekunden vorher und den gesamten rassistischen Ton der Sendung nicht wett.

Wir leben in einem Land, wo wieder Flüchtlingsheime brennen, wo Menschen auf der Straße bedroht werden. In Deutschland sterben Menschen, weil sie anders aussehen, sich anders kleiden oder woanders herkommen. Die Politik unternimmt zu wenig, sondern überlässt den Schreihälsen von Pegida und Heimatfront das Feld. Das ist das gesellschaftliche Klima in diesem Land. Das ist die Wirklichkeit.

Dann kommt ein mittelmäßiger Fernsehspaßmacher daher und reißt Witze, die er glatt hinter dem Sofa des Propagandaministeriums gefunden haben könnte. Wie kann das nicht aus demselben verrotteten Holz geschnitzt sein? Kalkofe gießt mit SchleFaZ vielleicht kein Öl ins Feuer, aber Sägespäne legt er gerne bereit.

Bestätigung der rassistischen Norm. Vielen Dank für nichts.

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1 Kommentar/e:

  1. "...die völlig überzeichnete Schauspielerei herauszustellen"
    Also ich kenne jetzt nicht DEN Film, aber diese "überzeichnete" Schauspielerei ist in der Regel gewollt, da ans traditionelle Schauspiel angelehnt. Das war im westlichen Kulturkreis auch mal üblich, hat sich aber im Laufe des 20. Jh. zurück entwickelt.
    Ja, diese dümmlichen dt. Synchros waren eigentlich auch bei mir der Grund, wieso ich asiat. Filme praktisch nur noch im O-Ton schaue. Das ist zwar viel besser geworden aber gerade bei billigen Produktionen gibt man sich oft immer noch keine Mühe.

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