Yumyum: Wie ich auf dem Schulhof dealte

Ramen, Bild von flickr edkohler, CC 2.0


Die großartige Shehadistan teilte auf Facebook folgende Schlagzeile: Kinder essen Tütensuppe wie Chips. Der Artikel von 2011 berichtet von dem Trend, dass Kinder die asiatischen Tütensuppen, auch als Ramen und unter VietnamesInnen als Mi Goi bekannt, einfach trocken aus der Verpackung knabbern. Dazu sage ich: Ach was, neuer Trend. Das gibt es schon seit ewig. Woher ich das weiß? Weil ich den Trend mitbegründete, zwar im lokalen Rahmen beschränkt, aber immerhin. Damals in der Grundschule, in der zweiten Klasse, also vor (hust) zwanzig Jahren, vertickte ich das Zeug auf dem Schulhof unter der Hand. Es war ein florierendes Business, bis ich aufgrund eines "Vorfalls" aus dem Geschäft für immer ausstieg.

Das organisierte Tütensuppen-Dealen fing damit an, dass meine Mutter im Krankenhaus lag und mein Vater für unsere Schulverpflegung sorgen musste. Der Einfachkeit halber (und weil er überfordert war) gab er meinem älteren Bruder und mir je eines dieser Suppenpäckchen mit dem Namen "Yumyum" mit. Auf dem Schulhof waren wir damit die Stars - so etwas hatten die anderen noch nie zuvor gesehen: Ein knallbuntes, eckiges Päckchen, darin ein quadratisches Bündel an rotgoldenen Lockennudeln. Damals gab es diese Salz- und Glutamatbombe noch nicht allgemein im Supermarkt um die Ecke zu kaufen, was die Sache umso interessanter machte. Nachdem die InteressentInnen probieren durften, wollten sie: mehr. MEHR. MEHR!!!

Mutter, wieder genesen und zu Hause, hörte davon und erkannte sogleich das Potenzial dieser Nachfrage. Ihr Geschäftssinn sah sofort einen Markt für Yumyum. Also ließ sie uns bei den KlassenkameradInnen nachfragen, wer gerne Tütchensuppe haben wollte. Schnell hatten wir ein Dutzend Bestellungen zusammen und wir schleppten von nun an die Nudeln in unseren Schultaschen mit, um sie dann während der großen Pause zu verticken. Die Gewinnmarge war prächtig: Zu Hoch-Zeiten verkauften wir jedes Päckchen für eine Mark, für FreundInnen des Hauses gab es die Päckchen auch mal für 50 oder 70 Pfennig.

Da wir die einzigen AsiatInnen mit Zugang zum Yumyum-Markt hatten (einen Asia-Markt gab es nicht), besaßen wir das äußerst bequeme Monopol. Mutter zog als Mastermind im Hintergrund die Fäden und versorgte uns mit dem notwendigen Stoff. Unter den SchülerInnen sprach sich herum, dass ein neues und aufregendes Zeug zu haben war: salzig, knusprig, verdammt ungesund. Sehr bereitwillig gaben sie uns dafür ihr Taschengeld, andere bezahlten uns in Naturalien: Zwei Räuber-Hotzenplotz-Kassetten gegen vier Päckchen Yumyum war ein prächtiges Tauschgeschäft.

Wie das so ist mit illegal besorgtem Stoff: Das Zeug birgt Gefahren. Nicht nur, dass dieses Zeug ein Fertigprodukt der fiesesten Sorte mit extra viel Kohlenhydraten, Fett, Salz und Geschmacksverstärkern war: Neben den Nudeln und der Suppenbrühe in Pulverform befand sich darin noch ein winziges Tütchen Chilipulver, das für deutsche Kindermägen absolut nicht geeignet war. Wir schärften (haha) unseren KundInnen deshalb ein, dieses Beutelchen auf keinen Fall zu konsumieren.

Nun gibt es immer Leute, die keinerlei Respekt vor Warnhinweisen haben, und so passierte es, dass eines Tages jemand als Mutprobe oder einfach aus Dummheit sich das Chilitütchen in den Rachen schüttete. Weder ich noch mein Bruder hatten an ihn verkauft, also musste ihm jemand als Zwischenhändler Zugang dazu verschafft haben. Nach der großen Pause an jenem besagten Tag klopfte es an der Klassenzimmertür. Meine Klassleiterin machte auf, dahinter stand eine besorgte Lehrerin und ein sehr blasser Junge, der sich vor Schmerzen den Bauch hielt. Sie erklärte meiner Lehrerin, dass der Junge etwas Falsches gegessen und sich während der Deutschstunde ins Waschbecken übergeben hatte. (Man erzählte mir später, dass der gesamte Klassenraum danach gestunken hätte). Der Junge und seine MitschülerInnen nannten mich schnell als Quelle für das Malheur.

Meiner Lehrerin war ich bisher allenfalls als brave, ruhige und fleißige Schülerin aufgefallen, weshalb sie mich ungläubig mit großen kugelrunden Augen anschaute. Was das denn gewesen sei? Noch ehe ich antworten konnte, erklärten meine MitschülerInnen sehr schnell und bereitwillig, dass ich auf dem Schulhof Yumyum verkaufte, eine trockene Tütensuppe zum Knabbern. So schnell wurde ich noch nie verraten, danke. Die großen Augen meiner Lehrerin wurden noch größer.

Meine Verteidigung fiel schwach aus: Ich gab den Handel zu, erklärte aber auch, dass ich den Leuten immer sagte, nicht das Chilipulver zu essen, und dass ich somit keine Schuld an der Malaise des Schülers hatte. Der Erkrankte wurde nach Hause geschickt, ich blieb von den Behörden unbehelligt, damit war die Sache gegessen (haha). Die Geschichte verbreitete sich schnell als Folklore in der Schule, was uns noch einmal mehr Nachfrage von der Mutprobenfraktion bescherte. Doch genug war genug: Hier und da eine schnelle Mark zu machen, war das eine, aber ich musste die Grenze ziehen, wo Menschen verletzt wurden. Bald darauf erklärten mein Bruder und ich unserer Mutter unseren sofortigen Ausstieg aus dem Yumyum-Business.

Da meine Mutter immer noch meine Mutter war und nicht ein Mafiamob-Boss, nickte sie nur. Insgeheim glaube ich aber doch, ein gewisses Bedauern bei ihr zu bemerken. Schließlich wollte sie immer, dass wir geschäftstüchtige Menschen würden. Aber ich bin eher nicht die Sales-Persönlichkeit.

Damit endete meine Karriere als Dealerin auf dem Schulhof. Ich habe seither nie wieder mit Yumyum gehandelt und bin wieder ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft.

Mein Geschreibe: Nanowrimo Update, Mädchenmannschaft, I am Vietnamese


Der Nanowrimo ist vorbei, ich habe meine 50.000 Wörter geschafft! Leider ist mein Roman noch nicht ganz fertig, der Schluss liegt jenseits der 50.000 Wörter - aber ich komme voran. Ich hoffe, demnächst ein weiteres Kapitel hier veröffentlichen zu können.


Eigentlich hatte ich vorgehabt, hier auf dem Blog zu dokumentieren, wie ich mit dem Schreiben von 1.300+ Wörtern jeden Tag zurecht komme. Der Mangel an Updates zeigt: Nicht so wirklich gut. Ich wusste es schon immer, und der Nanowrimo hat es erneut bestätigt, dass ich nicht die Vielschreiberin bin. Ich saß meist bis ein Uhr nachts am Roman, viel Zeit für andere Aktivitäten blieb nicht. Außer für die hervorragende Serie "Cosmos - A Spacetime Odyssey" mit Neil deGrasse Tyson. Sie fußt auf der Serie "Cosmos" von und mit Carl Sagan und beschäftigt sich mit dem Kosmos. Aber dazu kommt noch eine ausführlichere Review.

Der Nanowrimo hat genau das bewirkt, was ich mir erhofft hatte: Von außen Druck aufzubauen, damit ich das tun muss, woran mir wirklich etwas liegt. Wir alle kennen den Albtraum Prokrastination, der uns hindert, das in Angriff zu nehmen, was uns wirklich weiterbringt. Ich prokrastiniere wie so viele andere auch deshalb, weil ich mich in Selbstzweifeln, überbordender Selbstkritik und Hyperperfektionismus verliere. Manchmal auch, weil ich faul bin. Der Nanowrimo ist hingegen eine dreckige quantitative Angelegenheit: Bei der Zielmarke 50.000 geht es nun mal nicht um die schönsten, poetischsten und präzisesten Sätze, sondern um das Erreichen einer kritischen Masse. Das habe ich erst mal geschafft, dafür gabs am Sonntag nachträglich mir zum eigenen Geburtstag eine selbstgebackene Torte:
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Man verzeihe die schlechte Bildqualität. Die nächsten Wochen werden geprägt sein vom Beenden des Romans und dem fürchterlichen Redigierprozess. Ziemlich sicher, dass ich nicht nur einmal fluchen werde: "Was zum §§$§""%!"§!§@ hast du da geschrieben??!" Den Zuspruch, den ich bisher bekommen habe, bestärkt mich auf jeden Fall in meinem Vorhaben, mein Baby zu vollenden. Es gibt zu wenige Bücher, die sich literarisch mit diesem Anders-Sein beschäftigen. Zumindest mir hätte es als Teenagerin gut getan, mich in Büchern wiederzufinden - als Mensch zwischen den Stühlen. Nanowrimo hat wohl Recht: Die Welt braucht mein Buch.


Mädchenmannschaft-Kolumne

A propos Schreiben: Seit September gibt es auf dem feministischen Blog der Mädchenmannschaft eine Kolumne von - yours truly. Getauft habe ich sie "Die Emanzipation der Banane" und es geht um genau das: Meine Emanzipation. Als Frau, als Asiatisch-/Vietnamesisch-Deutsche. Ich sage nicht, dass ich in der Hinsicht alles richtig mache. Aber "sie bemühte sich stets". Zur Kolumne geht es hier entlang: "Die Emanzipation der Banane"

I am Vietnamese

Gestern kam noch eine schöne Nachricht an meinen Spamfilter: Eine Kurzgeschichte von mir wurde im Rahmen des "I am Vietnamese"-Projekts veröffentlicht! Die Anthologie umfasst mehr als siebzig Geschichten von AutorInnen mit vietnamesischen Wurzeln hauptsächlich aus den USA, aber auch anderen Ländern (wie Deutschland *hust*). Mit dabei sind auch berühmte Leute wie Schriftstellerin Madeline Truong, Andrew Pham, Andrew Lam und Chefköchin Christine Ha.

Die Anthologie ist als E-Book erhältlich, zusätzlich gibt es eine Kickstarter Kampagne, um daraus ein physisches Buch zu machen - das gedruckte Werk gibt es dann ab einer Investition von 25 US-Dollar. Alle Erlöse gehen an the Vietnamese Culture and Science Association (VCSA), Sunflower Mission und die Vietnamese American Scholarship Foundation (VASF).

Für mich persönlich ist es eine schöne Sache, weil das mein erster "literarischer" Text ist, den ich auf Englisch schrieb. Jede/r, der/die gerne mit Worten arbeitet, kennt das frustrierende Gefühl, an die Grenzen der eigenen sprachlichen Kompetenz zu stoßen. Von daher freut es mich besonders, für die Anthologie ausgewählt worden zu sein. Vielen Dank an Schwesterherz fürs Korrekturlesen, ohne dich hätte ich sicherlich noch einige Grammatikfehler drin ;)
Meine Geschichte "Trotzdem" findet ihr hier: Trotzdem

NaNoWriMo - ich bin dabei.


Ich habe es vor Ewigkeiten angedeutet, dass ich einen Roman schreiben möchte. Jetzt wird es wirklich Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen und das Projekt ernsthaft anzugehen. Warum also nicht an NaNoWriMo dranhängen?

Wer es noch nicht kennt: NaNoWriMo steht für "National Novel Writing Month", kommt aus dem angelsächsischen Raum und soll NachwuchsautorInnen helfen, endlich mal zu Potte zu kommen und ihren Roman zu schreiben bzw. zu vollenden. Ziel ist es, bis Ende November 50.000 Wörter auf Papier zu bringen. Es gibt regionale Treffen, wo man sich austauschen und gegenseitig pushen kann, um wirklich bis zum Schluss durchzuhalten.

Da ich gerade anscheinend nichts besseres zu tun habe und dieser Roman wirklich beendet werden möchte, habe ich mich auf der Webseite von NaNoWriMo angemeldet. Diese ganzen Ausreden, von wegen: "Ich bin gerade kreativ ausgelaugt", "ich bin müde", "ich müsste eigentlich unbedingt die Küche aufräumen", sollen für den November einfach mal nicht gelten. Stattdessen: Volle Konzentration auf das Schreiben.

Auf Nachfrage über Twitter zeigte sich, dass einige durchaus Interesse hätten, Auszüge zu lesen. Also springe ich über meinen eigenen Schatten und veröffentliche hier das erste Kapitel. Ich habe es noch einmal leicht überarbeitet und es ist allenfalls der zweite Entwurf. Aber sei's drum. Butter bei die Fische.

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Es gibt eine Szene, die meine Jahre als Teenager in der Provinz zusammenfasst. Exemplarisch, wie ein griffiger Werbespruch, oder, wenn es gebildeter klingen soll, wie eine Sentenz von einem/r SchriftstellerIn (gewöhnt euch an die Binnengroßschreibung, ich bin Feministin).
Frühmorgens oder am Nachmittag, während der Schulzeit oder am Wochenende.

„Hey Tui! Tui, hey! Warte - “

Ich tat so, als hätte ich die Rufe nicht gehört. Ich wollte es nicht hören. Stattdessen drehte ich die Musik an meinem Smartphone lauter, schob meine Hörer noch tiefer in die Ohrmuschel und stapfte weiter. Bloß weg.

Ich, das ist eine Person namens Thuy: Meine Hände in den Taschen vergraben, die langen Haare ungeordnet, ungekämmt, wie ein schwerer Vorhang hingen sie herunter. An den Füßen trug ich schwere Stiefel, DocMartens, ich hatte ein Faible für die Neunziger. Klein und dürr wie ich war, sahen diese Stiefel übergroß an mir aus. Sie waren aber auch ein bisschen zu groß, damit ich die Schuhe auch im Winter mit dicken Socken tragen konnte. Diese Stiefel fühlten sich verdammt schwer an, trittsicher. Vor allem hielten sie mich dadurch am Boden.

Tui – damit meinten sie mich. Thuy – das sollte ich tatsächlich sein. „Das klingt nach Urlaub!“ sagten sie immer. Sie, das sind alle anderen. NachbarInnen, Bekannte, SchulkameradInnen. Das sollte nett sein. Nichts gegen Pauschalreisen, ab in den Flieger, Sonnenschein. Aber ich hasste Tui.

Auf Vietnamesisch gibt es ein Wort, das so ähnlich klingt wie "tui", und das heißt „übel riechen“ oder „stinken“. Leider hatten sich meine Eltern damals bei meiner Geburt keine Gedanken gemacht, wie Leute außerhalb wohl mit meinem Namen zurecht kommen würden. Sie suchten einen Namen aus, so wie es meine Großeltern bei ihnen auch getan hatten. Mit dem Unterschied, dass zwischen der Namenswahl durch meine Großeltern und der meiner Eltern ein Umzug in ein anderes Land lag.

Dabei lässt sich die Aussprache leicht erklären, wenn man Französisch oder Englisch kann. Das „uy“ (ein Doppellaut, auch Diphthong genannt) klingt wie das „ui“ in „je suis“. Blöd nur, dass die wenigsten Französisch können. „Thuy“ klingt auch wie die Mitte von „between“. Die Mitte von „dazwischen“. Je suis between.

Thuy ist ein Standardname, so wie Laura, Lea oder Maria. Nur nicht dort, wo ich geboren wurde und aufwuchs. Und weil das so war, wurde aus mir, Thuy, eine Tui. Meine Mutter sagte mal, dass der Name so viel wie "freundlich, sanft" bedeute.  Ich dachte nie daran, dass sich meine Person dadurch in zwei Hälften spaltete: in meiner Familie lebte eine Thuy und überall sonst Tui. Ich versuchte mir das Ganz schönzureden - so gesehen hatte ich einen richtigen Namen und einen Decknamen. Wobei ich mir selber einen cooleren Decknamen für außerhalb gegeben hätte. So was wie Katharina oder Frida oder Sibylle. Bruce Wayne hatte „Batman“, Clark Kent hatte „Superman“. Ich hatte „Pauschalurlaub“.

In meinem letzten Schuljahr unternahm ich den Versuch, meine KlassenkameradInnen  an „Thuy“ zu gewöhnen. Es war eine Kampagne meinerseits für mehr Authentizität, eine der Flausen in meinem jugendlichen Kopf. Ehrlich zu sich selbst sein bedeutete eben auch: Ehrlich zu den anderen sein. Und ich war ehrlich genervt davon, diesen blöden Pauschalurlaubnamen zu haben. Also erklärte ich in einer Klassenbesprechung für alle, wie mein Name funktionierte.

Die Aktion war nicht erfolgreich. 

Isabella, meine nächstbeste Freundin (dazu komme ich noch), gab sich große Mühe. Ihre Aussprache war in Ordnung. Alle anderen bestanden darauf, meinen Namen weiterhin „Tui“ auszusprechen. Weil das leichter sei, und "Das haben wir doch immer so gemacht." Wenn sie mich nicht ohnehin „Ufo“ nannten, weil es „auch drei Buchstaben hätte“.

Danach wurde es wesentlich leichter, meine Freundes- und Kontaktlisten auszumisten.


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PS: Einen Titel hat das Ganze noch nicht, aber einen Arbeitstitel: "Reisbällchen".

PPS: Ich vertraue euch LeserInnen immens, denn das ist das erste Mal, dass ich etwas fiktionales hier veröffentliche. Als AutorIn kommt man wohl nicht umhin, irgendwo über sich selbst zu schreiben, but here's the thing: Ich hätte gerne einen Jugendroman gelesen, in dem es um Konflikte geht, die ich von Haus aus kenne. Und wenn mans nicht selber macht...

Stellungnahme des Hofbräuhaus

Ein Update zur Angelegenheit mit dem Hofbräuhaus. Die Antwort kam schon vor einiger Zeit (15. September 2014) bei mir an, nur hatte ich noch keine Zeit gehabt, dies zu verbloggen.
Erst nachdem die Süddeutsche (und später der britische Telegraph) über das Video aus dem Hofbräuhaus berichtet hatte, bewegte sich etwas und ich erhielt überhaupt eine Stellungnahme von der Pressestelle. Es war keine persönliche, sondern eine Massen-E-Mail, die vermutlich an alle Anfragen versendet wurde. Nicht einmal das "FW:" im Betreff wurde entfernt - aber an Enttäuschungen gewöhnt man sich ja.

Ich möchte nicht vorenthalten, was Frau Barthelmeß von der Hofbräuhaus-Pressestelle geschrieben hat, deshalb zitiere ich die gesamte Mail. Anmerkungen von meiner Seite sind fett gedruckt. 
Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihre Aufklärungsarbeit. Danke, dass Sie uns auf das heimlich gefilmte Video aufmerksam gemacht haben.

Das Hofbräuhaus hat jeden Tag geöffnet und wird täglich von Münchnern und der ganzen Welt besucht. Wir sind froh um jeden Gast. Besonders schön ist es, wenn sich die Kulturen an den 150 Stammtischen verbinden. Viele der 3.500 registrierten Stammgäste geben die bayerischen Traditionen und Werte weiter, da kann es schon sein, dass ein Asiate, Amerikaner, Europäer, etc. einen Schnupftabak probieren darf. Neben bayerischen Kollegen haben wir auch Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern, wie auch aus Asien beschäftigt. Für jeden Gast, der Fragen, oder Anregungen hat stehen stets unsere Serviceleiter bereit.

Hier wird das Bild der idyllischen bayerischen Gemütlichkeit gepaart mit Multi-Kulti gezeichnet, wo alle willkommen sind. Sie haben auch asiatischstämmige Mitarbeiter (sic!) im Team. Das klingt nach der alten Argumentationsweise: "Wir können keine RassistInnen sein, wir beschäftigen schließlich auch nicht-weiße Menschen!" Damit erfüllen sie gerade einmal die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht-diskriminierender Verhaltensweisen. Für mich ist das die Stufe 1 menschlichen Anstands, einen Keks gibt es dafür nicht. Weiter im Text.

Die Schwemme ist übrigens reservierungsfrei. Jeder soll die Möglichkeit haben, dort einen Platz zu ergattern, eben auch nach dem bayerischem Wirtshausprinzip, jeder sitzt neben jedem. Die Stammtische jedoch haben das Privileg, dass ihr Tisch für ihr Treffen reserviert wird.
Stammtische haben ein Reservierungsprivileg, was ja in Ordnung ist. Aber ich sehe im Video nicht, dass es sich bei den am Tisch sitzenden Gästen um StammtischlerInnen handelt. Auch der Kameramensch scheint kein/e StammtischlerIn zu sein. Was will dieser Absatz also sagen?
Der Ton auf dem Video ist leider nicht verständlich und der darauf abgebildete Kellner ist seit mehr als zwei Monaten nicht mehr im Hofbräuhaus beschäftigt. Wir werden trotzdem  versuchen, den Sachverhalt aufzuklären und haben um eine Stellungnahme gebeten. Außerdem klären wir noch die Persönlichkeitsrechte des Videos und würden uns freuen, wenn sich die Urheber des Videos auch bei uns melden würden.

Gottes Wort in deren Ohr. Ich bezweifle, dass sie wirklich nachforschen werden. Zudem klingt der Satz mit den Persönlichkeitsrechten eher danach, dass sie versuchen werden, das Video von Youtube nehmen zu lassen - schließlich hat niemand sein Einverständnis gegeben, gefilmt zu werden. Durch das Vorschützen Hochhalten dieser Rechte kann man auch unliebsamen Inhalt aus dem Netz entfernen lassen. Wäre ja schrecklich, wenn man auf Google "Hofbräuhaus Rassismus" in den vorgeschlagenen Suchbegriffen finden würde. 
Außerdem klingt das alles so, als ob sie den Kellner als Einzeltäter hinstellen möchten. Hat er so viel Weisungsbefugnis, dass er Gästen, die sich völlig normal benehmen, des Tisches verweisen kann? Vor allem, wenn es in der Schwemme keine reservierten Tische gibt?

Wenn sich ein Gast nicht richtig behandelt fühlt, möchten wir uns dafür aufrichtig entschuldigen. Wir kümmern uns täglich um eine Weiterentwicklung unserer Dienstleistung.
Liebe Grüße aus dem Hofbräuhaus!

Sabine Elisabeth Barthelmeß
Pressesprecherin

Im Auftrag für das Hofbräuhaus

Das war sie, die Stellungnahme. Halt, nicht ganz. Ganz unten kommt noch folgender Hinweis:


Ich engagiere mich für notleidende Menschen in Asien: www.nias-ev.de
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In diesem Zusammenhang ist das ganz schön anbiedernd. Dass ich die Antwort nicht besonders zufriedenstellend finde, wird man sich denken können. Viele Fragen bleiben unbeantwortet und ich befürchte, das wird auch so bleiben.

Sind Asiatinnen für Deutsche/EuropäerInnen unattraktiv?

Es gibt die Möglichkeit, mir Mails zu schreiben. Das haben letztens zwei LeserInnen getan - einmal, um mich auf Rassismus im Münchner Hofbräuhaus hinzuweisen und einmal, um mich zur Liebe zu befragen.

Leserin V. schickte mir folgende Zeilen:
"[...]Ich habe nur eine Frage an dich und zwar geht es um das leidige Thema "Liebe". Findest du auch, dass wir Asiatinnen schlechtere Karten haben, einen deutschen/europäischen Partner zu finden?
Zumindest habe ich das Gefühl, dass die meisten deutschen Männer weniger bzw. gar nicht auf Asiatinnen stehen."
Das ist ein erstes Mal, dass ich so um Rat gefragt werde, denn jede/r, der/die mich kennt, weiß, dass ich mit Menschen meine liebe Mühe habe. Ich erinnere mich an ein Date mit einem Typen. Wir standen vor dem Haus, in dem er wohnte. Er merkte an: "Da oben ist meine Wohnung." Ich sagte so etwas wie "Aha" - und ging weiter. Erst Jahre später fiel mir auf, dass er möglicherweise eventuell mit mir ins Bett gehen wollte. So viel also zu meiner Kompetenz in Liebesdingen.

Um zu der Frage zurückzukehren: Interessant ist, wie sie gestellt wurde. "Findest du auch...?" Die Leserin geht davon aus, dass ich ähnliche Erfahrungen gemacht habe. Das würde ich verneinen. Aber von vorne.

Der Startnachteil

Ich denke, dass AsiatInnen, so wie alle Menschen, die etwas "anders" erscheinen, einen gewissen Startnachteil haben. Asiatische Gesichter sind anders geschnitten und einige Deutsche/Europäer müssen sich immer noch daran gewöhnen, manche empfinden da vielleicht eine gewisse Scheu oder Voreingenommenheit, je nach dem, wie vielfältig die sozialen Kontakte sind, die diese Menschen pflegen. GroßstädterInnen sind anderen Einflüssen ausgesetzt als DorfbewohnerInnen auf dem platten Land. Das macht einen merklichen Unterschied - während ich hier in München eher das Gefühl habe, in der Masse untertauchen zu können, erscheint mir das in meiner Heimat-Kleinstadt unmöglich. Und nach wie vor gibt es RassistInnen, die offen sagen: "Ich steh nicht auf AsiatInnen/TürkInnen/Schwarze". Auf deren Meinung sei geschissen, ebenso auf diejenigen, die "total auf [ethnische Herkunft]" stehen.

Abgesehen von diesem Anfangsnachteil finde ich jedoch nicht, dass asiatische Menschen für Weiße generell unattraktiver sind - ich selbst hatte zum Beispiel bisher nur deutsche/europäische Partner. Und nach drei Tagen auf Tinder (einer neuen Dating-App, bei der man nur anhand Bild, Namen und Kurzbeschreibung sich für oder gegen jemanden entscheidet) stelle ich nicht fest, dass ich zu wenige Matches bekomme. Im Chat spielt mein Hintergrund allenfalls in der Herkunftsfrage eine Rolle - nervig, aber nichts, wo ich ausflippen würde. Die Krux bei all dem ist: Ich kann nur für mich sprechen, abgesehen von meinem asiatischen Äußeren bin ich völlig in der Norm. Ich bin nicht dick, habe keine körperlichen Behinderungen oder andere besondere Merkmale wie ausgeflippte Frisur oder eine Million Tattoos. Wie andere asiatischstämmige Frauen und Männer hinsichtlich ihrer Attraktivität bewertet werden - dieses Urteil wage ich nicht zu fällen.

Generell kann ich folgendes sagen: Attraktivität hängt zwar auch, aber nicht ausschließlich von der Optik ab. Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein machen attraktiv(er). Und ob man auf einer Wellenlänge liegt und die Chemie stimmt. Schließlich können wir auch nicht mit jedem Menschen eng befreundet sein - es kommt sozusagen auf die "Kompatibilität" an. Und da sind Sachen wie Klassenzugehörigkeit, kultureller Bezugsrahmen (hast du als Kind dieselben Zeichentrickfilme gesehen und Süßigkeiten gegessen wie ich") und Bildung ziemlich wichtig.
 

Asian Empowerment

Die Frage ist aber noch nicht komplett beantwortet. Deshalb will ich eine Gegenfrage stellen:  

Hast du selber ein Problem mit deinem Asiatisch-Sein? Fühlst du dich unwohl in deiner eigenen Haut? Ist dir das asiatische an dir peinlich?

Zumindest ich hatte lange Zeit ein Problem damit (vermutlich auch der Grund, warum ich anfing hier zu bloggen). Wenn ich Ablehnung oder negative Reaktionen erfuhr, bezog ich das sehr häufig auf mein Asiatisch-Sein. Dass ich manchmal mich einfach blöd verhielt, irgendwie ungeschickt war oder einfach nur taktlos, fiel mir erst sehr viel später auf.

Falls du so empfindest, wirst du deine eigenen Unsicherheiten in diesem Bereich möglicherweise auf andere projizieren. Unsere deutsche Umgebung ist ziemlich gut darin, uns Asiatische Deutsche zu ignorieren - viele wissen nicht einmal, dass es uns gibt. Dann fühlt sich die Ignoranz der Bio-Deutschen schnell wie offene Ablehnung an. Plötzlich scheint es, als würden andere dein Anders-Aussehen/Anderssein ablehnen, obwohl es vielleicht nur deine verinnerlichten Horrorszenarien sind, die sich da entfalten. Ich will hier Alltagsrassismus auf keinen Fall kleinreden, aber die Umgebung ist manchmal weniger feindlich gesinnt als wir denken. Gedankenlos - ja, auf jeden Fall. Aber die wenigsten sind bösartig.  

Leider bin ich keine Psychologin, um wirklich handfeste Tipps oder gar eine Anleitung fürs Daten zu geben. Nur so viel: Man muss lernen, sich von der (vermeintlichen) Meinung anderer freizumachen. Das ist für Minderheiten wie uns eventuell schwieriger, weil wir nicht nur mit Vorstellungen ringen, was "Deutsch" sein bedeutet, sondern auch was an uns denn "asiatisch/tamil/chinesisch/vietnamesisch/etc." ist - und was letztendlich unsere ganz individuelle Persönlichkeit ausmacht, als Schnittmenge aus unserem Ich, der Familie, Herkunft, Wohnort, sozialen Kontakten. Die Quintessenz klingt banal: Sei du selbst und respektiere dich mit allen deinen Facetten. Dieses ganze Gerede von Selbstfürsorge und Selbstliebe, ehe man zur romantischen Liebe voranschreiten kann: Es stimmt. Es ist zum einen leichter, andere Menschen kennenzulernen, wenn man sich einigermaßen in sich selbst gefestigt fühlt und eine Beziehung (oder eine Affäre) ein nettes Plus sind, aber nicht das eigene Glück definieren. Zum anderen, und das ist viel wichtiger, fühlt man sich einfach in sich selbst wohler. Man ist sich sein eigenes Zuhause. Ob man dann noch jemanden dazu einlädt, kann man dann immer noch entscheiden.

Übrigens habe ich mal meinen Ex-Freund gefragt, warum er mich damals in der Bar eigentlich angesprochen hat und ob mein Asiatisch-Sein eine Rolle gespielt hätte. Er antwortete darauf lapidar: "Ich fand dich einfach süß."

Diskriminierung/Rassismus im Münchner Hofbräuhaus?


Jetzt, wo das Münchner Oktoberfest vor der Tür steht, kann man ja mal überprüfen, wie es mit der Willkommenskultur in der bayerischen Landeshauptstadt bestellt ist. Nicht besonders gut, wenn man dieses heimlich gedrehte Youtube-Video betrachtet, das im Münchner Hofbräuhaus aufgenommen wurde:



Darin erklärt der Kameramensch, wie er beobachtet hat, dass von seinem Tisch direkt am Eingang anscheinend systematisch Menschen asiatischer Erscheinung vertrieben werden, mit dem Hinweis, der Tisch sei reserviert. Seltsamerweise ist der Tisch nicht reserviert, als sich weiße BesucherInnen an den Tisch setzen. Er lässt diese gewähren, obwohl sie nichts bestellen.

Ich gehe davon aus, dass der Kameramensch weiß ist, weil er am Tisch sitzen bleiben darf (anders als die asiatisch aussehende Frau). Aber wenn selbst ihm/ihr das offen rassistische Verhalten des Personals auffällt, dann scheint doch was nicht in Ordnung zu sein.

Wenn ich das sehe, kommt mir die Galle hoch. Erst vor einigen Wochen wurde ausführlich über Rassismus an Clubtüren berichtet, und dann sowas. Der "Nur mit Reservierung"-Trick wurde auch dort ausführlich verwendet. Anscheinend haben alle Weißen qua Geburt eine Reservierung erhalten.

Das Hofbräuhaus wird von mir diesbezüglich eine Anfrage erhalten. Ich werde berichten, sollte es Ergebnisse geben.

Dieses Video wurde mir von Leser Herman W. zugespielt zugeschickt. Danke!

Fischsoße - braunes Lebenselixier


Häufiger Gast in (südost-)asiatischen Küchen: Fischsoße.

Vor einiger Zeit spielte ich mit dem Gedanken, mich etwas gesünder zu ernähren und vermehrt auf Fleisch, Milchprodukte und Eier zu verzichten. Vegan werden war eine Option, die im Raum schwebte, obwohl ich Honig sehr mag und Lederschuhe und Daunenjacken im Winter auch. Aber das wäre irgendwie machbar gewesen.

Beim Kochen einer Gemüsepfanne dachte ich mir: "Ha, das ist so einfach! Ich lass das Fleisch weg und nehm dafür Erdnüsse. Gemüse und Reis sind vegan. Alles easy-peasy! Vietnamesische Küche FTW!"

Dann kippte ich Fischsoße darüber.

Es zischte, nicht nur in der Pfanne, sondern auch in meinem Hirn. Als der Dampf sich lichtete, durchfuhr mich ein Gedanke: Fischsoße ist aus Fisch gemacht. Fisch ist ein Tier. Tier != vegan. Mist. Ich konnte also nicht Veganerin werden. Nicht einmal Vegetarierin. Denn auf Fischsoße verzichten ist für mich keine Option - Fischsoße ist braunes Lebenselixier.

Es gab Zeiten in Deutschland, da Fischsoße oder genauer gesagt Nuoc Mam heftigst abgelehnt wurde. Wo VietnamesInnen ihre Mietwohnungen danach aussuchten, ob die NachbarInnen wegen dem fischigen Geruch Stress machen würden oder nicht. Die Natur der Sache bringt es nun einmal mit sich, dass Fischsoße nach vergorenem Fisch riecht. Doch Fischsoße ist ein essenzieller Bestandteil südostasiatischer Küche. Ohne Fischsoße schmeckt vietnamesisches Essen irgendwie fad.

Laut Wikipedia ist Fischsoße in verschiedenen Ausführungen in weiten Teilen Südostasiens und Ostasiens verbreitet.* Dabei hat jedes Land seine eigenen Vorlieben, was die Zusammensetzung und Zubereitung der Fischsoße angeht. In Vietnam gibt es neben dem puren Nuoc mam auch die für ungeübtere Gaumen leichter essbare Variante Nuoc cham, das als Dip für alles mögliche wunderbar ist und neben Nuoc mam meist Wasser, Limettensaft und Zucker enthält. Manchmal kommen, wie bei uns zu Hause, noch reichlich Knoblauch und Chillies mit rein. Aber ob Nuoc mam oder Nuoc cham - bei uns daheim hieß beides Nuoc mam.

Nuoc Mam gibt vielen Gerichten erst die letzte feine Note und passt überraschend gut nicht nur zu Fisch, sondern auch zu verschiedenen Fleischsorten, zu Gemüse oder Tofu. Vermutlich liegt das an der Geschmackswahrnehmung "umami" - herzhaft, fleischig. Diese Komponente wäre auch durch Zugabe von Mononatriumglutamat zu erreichen, aber ob das besser ist als nicht-vegetarische Fischsoße?

Ich jedenfalls finde mich damit ab, dass mir die Willenskraft fehlt, Vegetarierin zu werden. 


*Interessant ist auch, dass schon die ollen RömerInnen ihre eigene Fischsoße namens Liquamen/Garum hatten.

Sailor Moon oder: Japanische Popkultur und ihre Implikationen auf asiatisch-deutsche Identität




"Hey, die erste Folge von Sailormoon ist raus."

Mein Schwesterherz meldete sich über Skype. Sailormoon - war das nicht diese japanische Zeichentrickserie, wo Teenager-Mädchen gegen das Böse (TM) kämpften?

"Die haben jetzt eine Neuauflage gemacht, nennt sich "Sailor Moon Crystal". Der Anime soll jetzt näher an der Mangavorlage sein."

Ich erinnerte mich natürlich an Sailor Moon. Die Serie kam 1998 nach Deutschland, da war ich um die zwölf Jahre alt. Sailor Moon war anders als das, was ich bisher an Unterhaltung für Kinder gesehen hatte. Sicher gab es schon vorher japanische Animation im deutschen Fernsehen, wie die Biene Maja oder Heidi (Leute, Heidi wird für mich immer schwarzhaarig bleiben), aber im Gegensatz zu diesen zahmen ZDF-Koproduktionen war Sailormoon vor allem eins: ein veritabler Kulturschock.

Sailor Moon war eben nicht an den öffentlich-rechtlichen, bisweilen biederen Geschmack deutschen Fernsehens angepasst. Nein, Sailor Moon war laut, bunt, überdreht, überzeichnet. Das Gefühl des Befremdetseins hat sich bei mir eingebrannt: Warum rissen die Figuren die Münder und Augen so extrem auf? Warum war die Protagonistin so dermaßen ungeschickt? Und was sollte eigentlich ständig dieser Tropfen am Hinterkopf?

Irgendwann gewöhnte ich mich an den Stil von Anime. Ich lernte, dass die übertriebene Mimik und Gestik vor allem komisch und witzig wirken sollten, dass Bunny/Usagi Tsukino (die Hauptfigur) einfach, nun ja, eine Überzeichnung eines (unter)durchschnittlichen Schulmädchens sein sollte und dass der Tropfen am Hinterkopf eine peinliche Situation oder Verlegenheit oder Fremdscham darstellte.

Sailor Moon war der Beginn einer neueren Welle, die die gesamten Nuller-Jahre über anhielt: die Japan-Begeisterung gerade bei jungen Mädchen. Im Rückblick betrachtet war die Sache ganz groß. Denn zum ersten Mal kam etwas aus Asien, das viele irgendwie cool fanden. Zum anderen war es eine Superheldin, die für Mädchen gemacht war.

Bis dahin kannte ich aus Asien vor allem Kung-Fu-Filme, Paris by Night-Videos (eine Art vietnamesisch-amerikanische Revue mit viel Gesang, in vietnamesischen Haushalten sind sie Standardausstattung) und Kriegsabbildungen von toten, sterbenden und/oder verhungerten Menschen. Nicht viel, mit dem ich mich identifizieren konnte oder wollte. Kung-Fu-Filme waren zwar spannend, aber meist auch Filme über Männer, Paris by Night fand ich immer zum Fremdschämen und Krieg - wer will sich selbst schon mit einer Opferrolle identifizieren.

Anime und Manga aber - das war etwas anderes. Es war Popkultur aus Asien. Es war neu. Und es galt als cool. Wenn man so wenig hat, mit dem man sich identifizieren kann oder möchte, dann nimmt man auch japanische Popkultur als Hilfsmittel zur Identitätsfindung. Es war mir vielleicht damals nicht so bewusst, aber im Nachhinein betrachtet war japanische Popkultur ein Mittel, meine eigene asiatische Identität zu kultivieren und zu zelebrieren.

Sailor Moon war einer der vielen "Magical Girl"-Mangas/Animes, in den 90ern und Nuller Jahren ein Revival erlebten, nachdem sie schon seit den frühen Anfängen des japanischen Comics Mitte des 20. Jh. ein wichtiges Genre darstellten. Ich persönlich ritt nie so fanatisch auf der Manga-/Anime-Welle mit wie beispielsweise Schwesterherz, aber es gehörte zum Unterhaltungsprogramm dazu. Noch heute verbinde ich japanische Pop-/Rockmusik mit meinen Teenagerjahren.

Sailor Moon Crystal - die Neuauflage

Da die heutige Popkultur quasi nur aus Referenzen an Kindheitserinnerungen aufgebaut ist (Transformers war vormals Kinderspielzeug, für die eine Zeichentrickserie entwickelt wurde, die dann in ein Milliarden-Kino-Franchise verwandelt wurde, s. auch: Superheldenfilme, Remakes von Remakes von Remakes, Sequels von Sequels von Sequels), war es nur eine Frage der Zeit, dass auch der Klassiker Sailor Moon neu aufgelegt werden würde. Schon der Neuschnitt von Dragonball war ein großer Erfolg, warum also die Kuh nicht zweimal melken?

Aus Recherchezwecken habe ich mir also die erste Folge von Sailor Moon Crystal angesehen. Meine erste Erkenntnis: Man kann nicht zurück. Sailor Moon ist für Menschen, die fünfzehn bis zwanzig Jahre jünger sind als ich sicherlich noch unterhaltsam. Die Erzählgeschwindigkeit ist rasant, es ist laut und bunt, es gibt ausreichend Slapstick und der Plot ist so simpel gehalten, dass man ihm gut folgen kann.

Was mich immens gestört hat, war der Animationsstil: Der Zeichenstil ist einerseits altmodisch, weil er sich sehr eng, vielleicht zu eng, an die Vorlage hält. Dieses Traditionelle merkt man Sailor Moon Crystal deutlich an - von der Augenform zur Nase zu den Glanzlichtern auf den Haaren hin zum Intro (ich sag nur: J-Rock, Windmaschine und sehnsuchtsvolle Blicke in die Ferne). Der sehr "blumige" Stil erinnert mich stark an Anime aus den Siebzigern, etwa Die Rosen von Versaille/Berusaiyu no bara. Persönlich hätte mir eine stärkere Modernisierung besser gefallen.

Gleichzeitig wurde aus Kostengründen aber auf Animation im Computer gesetzt, anstatt von Hand auf Folien zu zeichnen. Dadurch wirkt die Animation irgendwie zu glatt und billig. Und dass die Verwandlungsszenen in einer Art 3D animiert sind, halte ich für einen unschönen stilistischen Bruch.

Ich bleibe vorerst bei Mushishi, Community und Youtube als Unterhaltungsprogramm...

Mein Youtube-Projekt Walking Phrase

Ich war in letzter Zeit auf Tauchstation - aus gutem Grund: Schwesterherz und ich arbeiteten an einem Projekt namens "Walking Phrase". Was ist "Walking Phrase"? Das ist der Name unseres Channels auf Youtube, wo es um Sprache und linguistische Themen geht. In kurzen animierten Videos widmen wir uns interessanten Phänomenen in der Sprache: Von Etymologie über Lautlehre hin zu Namenforschung ist alles dabei.

Das ist tatsächlich ein Herzensprojekt: Wie manche von euch vielleicht wissen, habe ich Linguistik studiert. Ich mochte das Fach sehr gerne - von Konstituentenanalyse bis zu Morphologie, historischer Semantik und Psycholinguistik fand ich fast alles aufregen. Doch im gewöhnlichen Leben kommt dieses Wissen fast nie zum Einsatz. Und weil Schwesterherz und ich festgestellt haben, dass im Bereich der unterhaltsamen Lehrvideos auf Youtube die Nische der Sprachwissenschaft quasi gänzlich unbesetzt war, machten wir es uns dort bequem.




Jetzt bin ich also auch noch unter die Youtuber gegangen :D Ich würde mich freuen, wenn ihr euch das Video ansehen und einen Kommentar oder Like hinterlassen würdet. Empfehlt unseren Kanal auch gerne an sprachlich interessierte ZeitgenossInnen weiter :)

Walking Phrase auf Youtube
Walking Phrase auf Facebook
Walking Phrase auf Twitter
Walking Phrase auf Tumblr

Die Japan-Dult in der Glockenbachwerkstatt



Das Wochenende kommt mir schon wieder so ewig lang her vor... Da das Wetter so gut war, habe ich die sogenannte Japan-Dult in der Glockenbachwerkstatt besucht. Eine Dult ist, so weit ich das verstanden habe, eine Art Jahrmarkt. Die Japan-Dult am vergangenen Wochenende war die bisher Dritte - es fand bisher jeweils im Sommer und im Winter eine Dult statt. Es macht auf jeden Fall mehr Spaß bei schönem und warmem Wetter.

Die Japan-Dult war sehr gut besucht.
Wer die Japan-Dult noch nicht kennt: Es ist eine Art Markt mit dem recht losen Thema "Japan". An den Ständen findet man vor allem Selbstgemachtes oder Kunsthandwerkliches in kleinen Stückzahlen mit mehr oder weniger viel Japan-Bezug.Anders als zum Beispiel das Japanfest am Teehaus im Englischen Garten ist die Dult eher etwas alternativer (aber auch "deutscher") geprägt, was Stände und Publikum anbelangt: Es gibt japanische VerkäuferInnen und Kulturschaffende genauso wie deutsche, die BesucherInnen sind nicht nur JapanerInnen, sondern zum Großteil Japan-Interessierte.



Japan-Begeisterte scheinen sich in etwa zwei Hauptgruppen aufzuteilen: Zum einen die popkulturell Interessierten, die sich mit Mangas, Anime und Popmusik beschäftigen. Zum anderen gibt es die bildungsbürgerlich geprägten, die sich Shakuhachi-Konzerte anhören, japanisches Bogenschießen mögen oder eine Schwäche für klassische Tätigkeiten wie Ikebana haben. Ich gehöre irgendwo in die Mitte zwischen diese beiden Gruppen.

Shakuhachi-Spieler in traditioneller Kleidung.

Für Verpflegung war, wie bei solchen Veranstaltungen, gesorgt: Eine japanische Konditorin verköstigte BesucherInnen mit niedlichen Tarteletts, der Duft von grüner Zuckerwatte mit Kirschblütenaroma lag in der Luft und gleich am Eingang fanden Onigiri (gefüllte Reisecken mit Nori umwickelt) reißenden Absatz. Die Küche kam mit dem Herstellen gar nicht mehr nach und nach zwei Stunden Dult war der Stand von Monigiri das erste Mal ausverkauft, so Robert von Monigiri.

Die Reisecken waren auch der Grund, warum ich überhaupt zur Dult gegangen bin. Mit den Betreibern von Monigiri wird es noch ein Interview hier geben, vorab durfte ich den Herstellungsprozess beobachten (danke für die Einblicke!):

Bavaria meets Japan: Onigiri mit eingelegten Radieschen.


Bei der Gelegenheit habe ich auch noch etwas gekauft: Eine Handytasche aus japanischem Kimono- und Baumwollstoff mit einer Art Schnappverschluss. Bisher hatte ich für mein Fairphone nämlich noch keine adäquate Verpackung. Diese Lücke ist jetzt geschlossen. Gratis dazu gab es eine Ausgabe des Dawanda-Magazins.



Wie ihr seht, bin ich meinem Lieblingsfarbschema Blau treu geblieben.

Nail Artsy: inspired by Toko Shinoda

"Sie haben sich ja schon die Deutschlandfahne lackiert! Meine Tochter auch!" sagte mein Hausarzt. Äh, nein. Die Farben und das Motiv scheinen unglücklich gewählt zu sein. Auf keinen Fall schwebte mir die Deutschlandfahne vor, als ich mir die Nägel lackierte. Sondern das Bild "Reminiscence" von Toko Shinoda von 2005. Ihr Stil erinnert an klassische Tuschezeichnungen und Kalligraphie, die Formen sind für mich an die abstrakte Kunst der klassischen Moderne angelehnt.


Nach all den superkomplexen Motiven, die ich aufgemalt habe, verlor ich die letzten Wochen tatsächlich die Lust am Lackieren und lief quasi nackt herum. Manchmal war ich auch einfarbig unterwegs, was sich aber irgendwie noch unbefriedigender anfühlte. Um wieder reinzukommen, habe ich dieses scheinbar simple Motiv gewählt. Abstrakt und reduziert.





Manchmal ist weniger tatsächlich mehr. Es ist tatsächlich schwierig, mit einem Nagellackpinsel die Ästhetik von Tuschezeichnungen nachzuahmen. Ein Kalligraphiepinsel ermöglicht mehr Kontrolle und Tusche ist längst nicht so dickflüssig wie Lack.


Auf dem Mittelfinger habe ich eine neue Technik getestet. Beim Distressed-Lackieren malt man mit fast trockenem Pinsel mit mehreren Farben übereinander. So entsteht dieser leicht zerstörte Look. 


Ich habe meinen Arzt über seinen Irrtum übrigens nicht aufgeklärt. Manchmal ist weniger mehr.

Eine Liebeserklärung*

Es gibt Begegnungen, die sind so besonders, so schön, dass sie das Potenzial haben, zum Eckstein einer Persönlichkeit zu werden. Sie haben die Macht, einen Menschen neu zu definieren, ihn an das Gute im Leben glauben zu lassen. Sie hauen dich von den Socken, ziehen dir den Boden unter den Füßen weg. Schmetterlinge im Bauch, alles dreht sich, die ganze Welt ist schön. Und wenn die langen hellen Sommernächte in die Stadt kommen, ist es schnell um einen geschehen.

Ich habe dich erst vor drei Wochen kennengelernt, aber mir kommt es vor, als kennen wir uns schon seit Jahren. Verdammt, wo warst du nur mein ganzes Leben lang? Plötzlich wird alles bedeutungslos, was ich davor gesehen und erlebt habe. Denn du hast mein Herz im Sturm erobert. Ich weiß - große Worte für jemanden wie mich, die versucht, romantische Gefühle und Pathetik außerhalb ihres Blogs zu lassen. Aber ich kann nicht umhin, dir ein Hohelied der Verehrung zu singen. Denn das hast du dir verdient. Deshalb:

Ich liebe dich, Community.


Zunächst war ich unschlüssig, ob ich mich auf dich einlassen sollte. Ich fühlte mich leer, wollte kein Vertrauen fassen. Nicht nach all dem, was ich in der Vergangenheit mit anderen Serien mitgemacht hatte. Warst du wieder nur so ein Idiot, der mich dann nach drei Sätzen enttäuschen würde? Mich mit Dummheit und Durchschnitt quälen würde, wenn der Effekt des Neuen sich abgenutzt hätte? Würdest du einfach nur mehr von demselben anbieten?

Wir verbrachten lange Nächte miteinander, du hattest so viel zu erzählen. Es schien, als müsste ich fünf Jahre im Schnelldurchlauf nachholen. Du erzähltest in einem Tempo, mit einer Begeisterung und einem Witz, die mich mitriss. Ich war von dir hingerissen. Deine Fantasie und dein Einfallsreichtum - ich seufze selig, wenn ich nur daran zurückdenke. Tag und Nacht dachte ich an dich, lachte in Gedanken über deine Sprüche. Du machtest mich glücklich.

Natürlich blieben mir auch deine Schwächen nicht verborgen. Je länger ich mit dir zu tun hatte, desto deutlicher wurden mir deine Schwächen bewusst. Mitunter warst du sexistisch, mitunter rassistisch, homophob, manchmal bewegtest du dich am Rande des Wahnsinns guten Geschmacks. Ob das notwendig war, um dich über Sexismus, Rassismus und Homophobie lustig zu machen? Auch wenn ich vieles davon nicht gutheißen konnte: Ich konnte dir nicht böse sein, du brachtest mich zum Lachen und ich sah über deine Schwächen hinweg. Du hattest einen Cast, vielfältiger, als ich es gewohnt war. Du hattest gut geschriebene Figuren, die alle ihre Stärken und Schwächen hatten.

Selbst dein "Held", ein weißer, heterosexueller Mann (konventionell attraktiv) stand nie so im Mittelpunkt, dass alle anderen zum Hintergrundrauschen degradiert wurden. Mir gefiel, dass romantische Beziehungen möglich waren, aber nicht zwangsläufig geschehen mussten. (Warum können in Sitcoms eigentlich nur Pärchen im Main Cast entstehen?) Du hattest tonnenweise Fanservice, überbordende popkulturelle Referenzen, deine ironische, post-moderne Haltung zu dir selbst fand ich unglaublich anziehend. Und hey, wer ist schon perfekt? Du nicht. Ich nicht. Niemand.

Doch wie alle guten Dinge musste auch unsere Beziehung enden, denn dein Sender NBC zog nach fünf Staffeln den Stecker. Du verließt mich so schnell, wie du in mein Leben getreten warst. Noch ehe ich ein verzweifeltes, überdramatisches "Noooooiiiiin!!!!" schreien konnte, verschwandest du aus dem Äther. Ich wusste bereits zum Anfang unserer Beziehung, dass das Ende absehbar war, dass du eine zum Tode verurteilte Serie warst. Dass es nur ein Gastspiel werden würde. Eine kurze Sommerliebe. Und dennoch: Ich möchte keinen Augenblick unserer Begegnung missen. Niemals würde ich unsere Zeit zusammen bereuen. Auch wenn du mich verlassen musstest und mich mit gebrochenem Herzen zurückließt.

Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als bei Staffel 1, Folge 1 anzufangen und traurig zu sein. Das ist mehr eine Totenrede als ein Liebesbrief, ich stehe an deinem offenen Grab und nur die zahlreichen Gifs auf Tumblr können meinen Schmerz lindern. Manche behaupten, du könntest irgendwo im Netz fröhliche Urständ' feiern. Bei Netflix oder Hulu. Heute ist der Tag, an dem in den USA klassischerweise die Schauspielverträge auslaufen und sie dann frei sind, andere Engagements einzugehen. Deine Galgenfrist läuft also ab und bislang war noch nichts zu hören. Ich möchte meine Hoffnungen nicht zu hoch setzen. Community, ich werde dich nie vergessen.  

#sixseasonsandamovie




*Ok, das war jetzt alles übertrieben, aber ich mochte die Serie wirklich. Ich glaube, seit Scrubs gab es keine Serie mehr, die ich wirklich so genossen habe. Die meine Familie (lies: meine Geschwister) vereinen konnte (meist, weil ich keinen Bock hab, Serien zu gucken. Wahrscheinlich, weil ich extrem anhänglich werde, wenn mir was gefällt). Inzwischen empfehle ich nichts mehr uneingeschränkt, weil ich nichts uneingeschränkt gut finden kann (alles, was man mag, ist irgendwo auch problematisch), und weil immer jemand noch weitere problematische Aspekte findet, was ja in Ordnung ist.

EDIT: OH MEIN GOTT OH MEIN GOTT OH MEIN GOTT! News just in: Community wird fortgesetzt! Online! Danke Yahoo. Oder anders gesagt: Cool. Cool cool cool.
http://insidetv.ew.com/2014/06/30/community-sixth-season/



 

Presseschau 16. Juni: Prom, Indie, Kondome und Sex

Wow, ich habe alle wichtigen Keywords im Titel untergebracht! *clickbait* Ich habe einige lesenswerte Storys in den Weiten des Netzes ausgegraben - euch allen einen schönen Wochenstart!

Asiatisches Aschenputtel in Kanada

In Nordamerika ist das "Prom-Business" ganz groß - die Erwartungen und Sehnsüchte der Backfischjahre (ich wollte dieses Wort schon immer mal verwenden) kondensieren sich an diesem scheinbar magischen Abend des traditionellen Abschlussballs. Diese Kurzgeschichte von Linda M.C. Nguyen widmet sich den Versprechungen (und Enttäuschungen) des Prom aus vietnamesisch-kanadischer Perspektive.

http://yareview.net/2014/06/asian-cinderella/

Indie-Musik in China

Als ich vor einigen Jahren in Beijing im Urlaub war, befand sich unser Hotel in der Nähe der sogenannten Hutongs - einem traditionellen Wohngebiet mit vielen kleinen budenähnlichen Häusern. In der Umgebung gab es zahlreiche kleine Clubs und Cafés, etwa ein Café mit deutschem Frühstück, das ich nur deshalb besucht habe, weil meine Begleitungen Expats waren und sich nach Semmeln und Brezeln sehnten.
Diese Umgebung war "hip". Menschen mit Gitarren auf dem Rücken, internationales Publikum, Menschen auf dem Fahrrad - nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Lifestyle-Gründen heraus - bevölkerten die Straßen. Aus diesem Grund verwundert es mich nicht, dass in China eine lebendige, sehr junge Indie-Musikszene existiert. Im Interview erzählt Musiker Hua Dong mehr:

http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/587074/In-China-lieben-sie-Indie

Fake Kondome in Vietnam

Laut einem neuen Bericht sind fast die Hälfte aller Kondome, die auf dem freien Markt verkauft werden, von so schlechter Qualität, dass sie ein Gesundheitsrisiko darstellen. Viele dieser Kondome sind Plagiate und werden unter dem Namen namhafter Hersteller wie etwa Durex vertrieben und kosten einen Bruchteil der Originale - zwei US-Cent gegenüber einem Dollar pro Kondom. Laut Gesundheitsministerium assoziieren viele in Vietnam Kondome nach wie vor mit Untreue oder Sexarbeit, was sie nicht gerade beliebt macht. Wenn die erhältlichen Kondome jedoch so fehlerhaft sind, dass sie keinen Schutz bieten, wird sich das auch nicht ändern.

http://www.irinnews.org/report/100190/vietnam-s-counterfeit-condom-crisis

Jugend ohne Sex in Japan

Über die Millenials und die Generation Y (meine Generation, schnüff) wird allenthalben viel geschrieben. Von SinnsucherInnen über "verwöhntes Pack" reichen die Labels, mit denen diese Generation bedacht wird. Die Symptome bei Japans Jugend und jungen Erwachsenen sind möglicherweise in diesem Licht interpretierbar. Vordergründig geht es um ihr fehlendes Interesse an Sex. Die Artikel auf Zeit Online versucht, die japanischen Verhältnisse zu ergründen, und zieht gleichzeitig Parallelen zu Deutschland. Ist die Situation dort etwas, das auch Deutschland blüht?

via @gedankenreiter

http://www.zeit.de/2014/24/japan-jugend-sex

Bonus: Video der Woche

BuzzFeeds Youtube-Kanal BuzzfeedYellow (oh die Ironie) hat ein Video gepostet, das richtig lustig ist: Wenn AsiatInnen das sagen würden, was Weiße sagen. Für alle, die es tatsächlich noch nicht gesehen haben :D


Draußenzeit



Obwohl das, was ich hier mache, sich Blog nennt, schreibe ich auffällig wenig über mein persönliches Leben. Was seltsam ist, schließlich stammt "Blog" vom Wort "weblog", also Netz-Tagebuch ab. Nun weiß ich nicht, ob mein alltägliches Leben interessant genug ist, darüber zu berichten. Ich tue es einfach mal - vieles kann man nicht wissen, ehe man es nicht vorher ausprobiert hat.

Derzeit bin ich immer wieder in der alten Heimat - ungefähr 25% meiner Zeit stelle ich meinen Laptop dort auf, wo ich früher über Hausaufgaben gebrütet habe. Während dieser Zeit fahre ich vormittags gerne hinaus mit dem Rad. Auch in München mache ich das, aber es ist nicht das selbe, schon rein vom Entspannungsfaktor her nicht: In der Großstadt ist immer jemand, man ist ständig umgeben von Leuten, von Lärm, von Verkehr. Dauernd steht man an Ampeln und wartet. Außerdem muss man sich die Straßen mit dem massiven Berufsverkehr teilen.


Aus diesem Grund genieße ich die schönen Seiten dieser strukturschwachen Gegend: Da das Wetter derzeit so gut ist, erkunde ich verschiedene Radrouten. Seit meinem Wegzug während des Studiums haben sie die Beschilderung eindeutig verbessert - vielleicht hat man sich an der Münchner Beschilderung orientiert, die in Grün auf Weiß zeigt, wohin man gerade unterwegs ist. Ich fahre hinaus, nach spätestens fünf Fahrradminuten befinde ich mich auf Feldwegen, umgeben von Weizen, Roggen und Mais, Kornblumen und Klatschmohn. Nach fünfzehn Minuten ist auch der letzte Verkehr weg, ich stehe auf Radwegen, wo vormittags kein Mensch vorbeikommt. Es ist still, es duftet gut nach Natur und irgendwie auch nach Sommerferien vergangener Tage.


Sehr schön sind die vielen Wasserschutzgebiete. Ich sehe verschiedene Tiere auf den Feuchtwiesen - Infotafeln informieren mich später darüber, dass mir soeben eine besonders stark gefährdete Schnepfenart über den Weg gelaufen ist. Dazu Störche, Feldhasen, Kraniche und Libellen. Übrigens scheint es relativ normal zu sein, entgegen kommende RadlerInnen freundlich zu grüßen.


Die gestrige Route ging von Gunzenhausen bis nach Treuchtlingen, das ist eine einfache Strecke von etwa 25 km mit nur wenigen Aufs und Abs. Man folgt dabei einer Weile den Bahngleisen, fährt immer wieder an Feldern vorbei (der weite Blick! herrlich) und kommt durch Dörfer mit so illustren Namen wie Aha oder Graben. Diese Route ist wirklich idiotensicher: Einfach den grünen Pfeilen nach.

Was ich mir für das nächste Mal dennoch auf jeden Fall merken sollte: Solche Entfernungen rechtfertigen ein Frühstück vorab. Insgesamt fünfzig Kilometer nüchtern zu radeln ist möglich, aber nicht empfehlenswert.

"Wir nutzen jede Gelegenheit, um an neuen Songs zu arbeiten" - Interview mit Duke & Sara


Duke&Sara

Ich habe eine Schwäche für Akustik-Gitarrenpop. Seit meinen Jugendtagen, an denen ich wochenlang nichts anderes als Kings of Convenience gehört habe, schätze ich leicht jazzig/bossanova-artige Klänge sehr. Vermutlich Ziemlich sicher war diese Band einer der Gründe, warum ich mir Norwegen als Destination für mein Auslandsstudium gewählt hatte.
Als ich im Frühjahr in Berlin war, stellte mir eine meiner neuen Bekanntschaften Duke&Sara vor - nicht persönlich, sondern als Musiktipp. Dass sie damit offene Türen bei mir einrennen würde, konnte sie nicht vorhersehen: Die beiden machen sanften Gitarrenpop mit englischen Texten, die bestens zu einem verbummelten Sommertag passen.
Duke&Sara waren so freundlich, mir ein Interview zu geben; wir sprachen über musikalische Einflüsse, Zukunftspläne und asiatische Deutsche.

Wer seid ihr, was macht ihr?
Wir sind Duke&Sara, ein Akustik-Duo aus Berlin. Sara übernimmt den Gesang/Gitarre, Duke spielt meistens Gitarre und singt auch manchmal gern mit.

Wie habt ihr als Musiker zusammengefunden? Wie lange gibt es Duke&Sara bereits?
Wir sind auf die gleiche Schule gegangen, als Duke erstmals nach Berlin gezogen ist. Es hat sich eine kleine Band-AG in der Schule etabliert und dort haben wir uns kennengelernt. Uns gibt es seit dem September 2011 – puh, mittlerweile schon 3 Jahre.

Mir hat eure Musik auf Anhieb gefallen – was kein Wunder ist, weil eure Musik mich stark an meine Lieblingsband, die Kings of Convenience, erinnert. Wer hat euch noch beeinflusst?
Die KoC-Einflüsse kommen von Duke. Sara dagegen ist ein großer Fan von Ben Howard.
Wir beide waren aber auch mal zusammen auf einem Konzert von der englischen Songwriterin Lucy Rose und fanden sie beide grandios. Aber andere Einflüsse von Richtungen Blues, Soul, Jazz, Electro und Folk sind sicherlich vorhanden, da wir gern ganz viel alte und neue Musik hören.

Soweit ich weiß, studiert ihr beide, allerdings an verschiedenen Orten. Ich könnte mir vorstellen, dass das mit dem gemeinsamen Musizieren nicht so einfach ist. Welche Pläne habt ihr für eure musikalische Zukunft? Werdet ihr weiterhin zusammen Musik machen oder arbeitet ihr noch an anderen Projekten?
Wir lassen alles auf uns zukommen. Wegen der Distanz ist es wirklich schwieriger geworden, zusammen zu proben oder uns auszutauschen. Aber wir nutzen jede Gelegenheit, um an neuen Songs zu arbeiten, kleinere Projekte zu starten oder einfach nur zusammen zu spielen und den Moment zu genießen.

Nun ist das Thema des Blogs ja „Asiatische Deutsche“ - wie ist euer Background zusammengesetzt und haben eure Wurzeln in eurer Musik je eine Rolle gespielt?
Duke kommt ursprünglich aus Vietnam und Sara aus der Mongolei. Das ist sicherlich eine ungewöhnliche Kombination. Dazu kommt noch, dass wir in Deutschland leben, englische Texte schreiben und ruhige, akustische Musik machen.
Unsere Wurzeln haben uns sicherlich beeinflusst. Duke ist nie mit Musik aufgewachsen – das war wahrscheinlich der Grund, warum er mit 16 Jahren die große Leidenschaft für Musik entwickelt hat. Die Sara dagegen singt gerne von weiten Landschaften und Naturgegebenheiten – das findet man alles in den weiten Steppen der Mongolei.

Gibt es eine Möglichkeit, euch live zu sehen oder eure Musik zu unterstützen?
Zurzeit sind keine festen Gigs geplant. Aber wenn wir beide in Berlin sind, werden wir wieder in kleineren Locations spielen – Neuigkeiten findet man auf unserer Facebook-Seite.
Wir freuen uns immer über neue Zuhörer, auf Soundcloud findet man Aufnahmen von uns.

Letzte Frage: Welche Musik/Bands hört ihr am liebsten privat?
Duke beschäftigt sich zurzeit mit Samples und hört viel Jazz und Electro.
Sara stöbert gern auf youtube auf der Suche nach neuen Künstlern, zurzeit sind ihre liebsten Neu- und Altentdeckungen Nick Mulvey, Spring Offensive, Die Höchste Eisenbahn und Villagers.

Danke für das Interview!


Ich hoffe (auch in meinem ganz eigenen Interesse), dass sie noch viel Musik zusammen machen.
Zum Schluss gibt es noch eine Hörprobe - mein persönliches Lieblingslied von den beiden.

Genießt den Sommer.