NaNoWriMo - ich bin dabei.


Ich habe es vor Ewigkeiten angedeutet, dass ich einen Roman schreiben möchte. Jetzt wird es wirklich Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen und das Projekt ernsthaft anzugehen. Warum also nicht an NaNoWriMo dranhängen?

Wer es noch nicht kennt: NaNoWriMo steht für "National Novel Writing Month", kommt aus dem angelsächsischen Raum und soll NachwuchsautorInnen helfen, endlich mal zu Potte zu kommen und ihren Roman zu schreiben bzw. zu vollenden. Ziel ist es, bis Ende November 50.000 Wörter auf Papier zu bringen. Es gibt regionale Treffen, wo man sich austauschen und gegenseitig pushen kann, um wirklich bis zum Schluss durchzuhalten.

Da ich gerade anscheinend nichts besseres zu tun habe und dieser Roman wirklich beendet werden möchte, habe ich mich auf der Webseite von NaNoWriMo angemeldet. Diese ganzen Ausreden, von wegen: "Ich bin gerade kreativ ausgelaugt", "ich bin müde", "ich müsste eigentlich unbedingt die Küche aufräumen", sollen für den November einfach mal nicht gelten. Stattdessen: Volle Konzentration auf das Schreiben.

Auf Nachfrage über Twitter zeigte sich, dass einige durchaus Interesse hätten, Auszüge zu lesen. Also springe ich über meinen eigenen Schatten und veröffentliche hier das erste Kapitel. Ich habe es noch einmal leicht überarbeitet und es ist allenfalls der zweite Entwurf. Aber sei's drum. Butter bei die Fische.

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Es gibt eine Szene, die meine Jahre als Teenager in der Provinz zusammenfasst. Exemplarisch, wie ein griffiger Werbespruch, oder, wenn es gebildeter klingen soll, wie eine Sentenz von einem/r SchriftstellerIn (gewöhnt euch an die Binnengroßschreibung, ich bin Feministin).
Frühmorgens oder am Nachmittag, während der Schulzeit oder am Wochenende.

„Hey Tui! Tui, hey! Warte - “

Ich tat so, als hätte ich die Rufe nicht gehört. Ich wollte es nicht hören. Stattdessen drehte ich die Musik an meinem Smartphone lauter, schob meine Hörer noch tiefer in die Ohrmuschel und stapfte weiter. Bloß weg.

Ich, das ist eine Person namens Thuy: Meine Hände in den Taschen vergraben, die langen Haare ungeordnet, ungekämmt, wie ein schwerer Vorhang hingen sie herunter. An den Füßen trug ich schwere Stiefel, DocMartens, ich hatte ein Faible für die Neunziger. Klein und dürr wie ich war, sahen diese Stiefel übergroß an mir aus. Sie waren aber auch ein bisschen zu groß, damit ich die Schuhe auch im Winter mit dicken Socken tragen konnte. Diese Stiefel fühlten sich verdammt schwer an, trittsicher. Vor allem hielten sie mich dadurch am Boden.

Tui – damit meinten sie mich. Thuy – das sollte ich tatsächlich sein. „Das klingt nach Urlaub!“ sagten sie immer. Sie, das sind alle anderen. NachbarInnen, Bekannte, SchulkameradInnen. Das sollte nett sein. Nichts gegen Pauschalreisen, ab in den Flieger, Sonnenschein. Aber ich hasste Tui.

Auf Vietnamesisch gibt es ein Wort, das so ähnlich klingt wie "tui", und das heißt „übel riechen“ oder „stinken“. Leider hatten sich meine Eltern damals bei meiner Geburt keine Gedanken gemacht, wie Leute außerhalb wohl mit meinem Namen zurecht kommen würden. Sie suchten einen Namen aus, so wie es meine Großeltern bei ihnen auch getan hatten. Mit dem Unterschied, dass zwischen der Namenswahl durch meine Großeltern und der meiner Eltern ein Umzug in ein anderes Land lag.

Dabei lässt sich die Aussprache leicht erklären, wenn man Französisch oder Englisch kann. Das „uy“ (ein Doppellaut, auch Diphthong genannt) klingt wie das „ui“ in „je suis“. Blöd nur, dass die wenigsten Französisch können. „Thuy“ klingt auch wie die Mitte von „between“. Die Mitte von „dazwischen“. Je suis between.

Thuy ist ein Standardname, so wie Laura, Lea oder Maria. Nur nicht dort, wo ich geboren wurde und aufwuchs. Und weil das so war, wurde aus mir, Thuy, eine Tui. Meine Mutter sagte mal, dass der Name so viel wie "freundlich, sanft" bedeute.  Ich dachte nie daran, dass sich meine Person dadurch in zwei Hälften spaltete: in meiner Familie lebte eine Thuy und überall sonst Tui. Ich versuchte mir das Ganz schönzureden - so gesehen hatte ich einen richtigen Namen und einen Decknamen. Wobei ich mir selber einen cooleren Decknamen für außerhalb gegeben hätte. So was wie Katharina oder Frida oder Sibylle. Bruce Wayne hatte „Batman“, Clark Kent hatte „Superman“. Ich hatte „Pauschalurlaub“.

In meinem letzten Schuljahr unternahm ich den Versuch, meine KlassenkameradInnen  an „Thuy“ zu gewöhnen. Es war eine Kampagne meinerseits für mehr Authentizität, eine der Flausen in meinem jugendlichen Kopf. Ehrlich zu sich selbst sein bedeutete eben auch: Ehrlich zu den anderen sein. Und ich war ehrlich genervt davon, diesen blöden Pauschalurlaubnamen zu haben. Also erklärte ich in einer Klassenbesprechung für alle, wie mein Name funktionierte.

Die Aktion war nicht erfolgreich. 

Isabella, meine nächstbeste Freundin (dazu komme ich noch), gab sich große Mühe. Ihre Aussprache war in Ordnung. Alle anderen bestanden darauf, meinen Namen weiterhin „Tui“ auszusprechen. Weil das leichter sei, und "Das haben wir doch immer so gemacht." Wenn sie mich nicht ohnehin „Ufo“ nannten, weil es „auch drei Buchstaben hätte“.

Danach wurde es wesentlich leichter, meine Freundes- und Kontaktlisten auszumisten.


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PS: Einen Titel hat das Ganze noch nicht, aber einen Arbeitstitel: "Reisbällchen".

PPS: Ich vertraue euch LeserInnen immens, denn das ist das erste Mal, dass ich etwas fiktionales hier veröffentliche. Als AutorIn kommt man wohl nicht umhin, irgendwo über sich selbst zu schreiben, but here's the thing: Ich hätte gerne einen Jugendroman gelesen, in dem es um Konflikte geht, die ich von Haus aus kenne. Und wenn mans nicht selber macht...

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CONVERSATION

2 Kommentar/e:

  1. Aber man soll doch bei NaNoWriMo bei Null anfangen. Ts. ;)

    Kinder sind grausam. Und meist - dank ihrer Eltern - völlig uneinsichtig. "Aber das ist doch nicht so schlimm." "Das hat er/sie doch nicht so gemeint." "Wer anders ist, muss halt mit so was leben." Und wenn man selbst Kind ist, hat man weder das Verständnis noch die Traute zu sagen, "f*ck dich", sondern man kann nur still leiden.

    Deine Leseprobe hat mir gut gefallen, nur ein holpriger Satz war dabei:
    Sie waren aber auch ein bisschen zu groß, damit ich die Schuhe auch im Winter mit dicken Socken tragen konnte.

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    1. Ich kann leider nicht bei Null anfangen und nehme mir die Freiheit, das nicht zu tun ;)

      Danke für den Hinweis! Den Satz werde ich nochmal glätten :)

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