Leserin V. schickte mir folgende Zeilen:
Das ist ein erstes Mal, dass ich so um Rat gefragt werde, denn jede/r, der/die mich kennt, weiß, dass ich mit Menschen meine liebe Mühe habe. Ich erinnere mich an ein Date mit einem Typen. Wir standen vor dem Haus, in dem er wohnte. Er merkte an: "Da oben ist meine Wohnung." Ich sagte so etwas wie "Aha" - und ging weiter. Erst Jahre später fiel mir auf, dass er möglicherweise eventuell mit mir ins Bett gehen wollte. So viel also zu meiner Kompetenz in Liebesdingen."[...]Ich habe nur eine Frage an dich und zwar geht es um das leidige Thema "Liebe". Findest du auch, dass wir Asiatinnen schlechtere Karten haben, einen deutschen/europäischen Partner zu finden?Zumindest habe ich das Gefühl, dass die meisten deutschen Männer weniger bzw. gar nicht auf Asiatinnen stehen."
Um zu der Frage zurückzukehren: Interessant ist, wie sie gestellt wurde. "Findest du auch...?" Die Leserin geht davon aus, dass ich ähnliche Erfahrungen gemacht habe. Das würde ich verneinen. Aber von vorne.
Der Startnachteil
Ich denke, dass AsiatInnen, so wie alle Menschen, die etwas "anders" erscheinen, einen gewissen Startnachteil haben. Asiatische Gesichter sind anders geschnitten und einige Deutsche/Europäer müssen sich immer noch daran gewöhnen, manche empfinden da vielleicht eine gewisse Scheu oder Voreingenommenheit, je nach dem, wie vielfältig die sozialen Kontakte sind, die diese Menschen pflegen. GroßstädterInnen sind anderen Einflüssen ausgesetzt als DorfbewohnerInnen auf dem platten Land. Das macht einen merklichen Unterschied - während ich hier in München eher das Gefühl habe, in der Masse untertauchen zu können, erscheint mir das in meiner Heimat-Kleinstadt unmöglich. Und nach wie vor gibt es RassistInnen, die offen sagen: "Ich steh nicht auf AsiatInnen/TürkInnen/Schwarze". Auf deren Meinung sei geschissen, ebenso auf diejenigen, die "total auf [ethnische Herkunft]" stehen.Abgesehen von diesem Anfangsnachteil finde ich jedoch nicht, dass asiatische Menschen für Weiße generell unattraktiver sind - ich selbst hatte zum Beispiel bisher nur deutsche/europäische Partner. Und nach drei Tagen auf Tinder (einer neuen Dating-App, bei der man nur anhand Bild, Namen und Kurzbeschreibung sich für oder gegen jemanden entscheidet) stelle ich nicht fest, dass ich zu wenige Matches bekomme. Im Chat spielt mein Hintergrund allenfalls in der Herkunftsfrage eine Rolle - nervig, aber nichts, wo ich ausflippen würde. Die Krux bei all dem ist: Ich kann nur für mich sprechen, abgesehen von meinem asiatischen Äußeren bin ich völlig in der Norm. Ich bin nicht dick, habe keine körperlichen Behinderungen oder andere besondere Merkmale wie ausgeflippte Frisur oder eine Million Tattoos. Wie andere asiatischstämmige Frauen und Männer hinsichtlich ihrer Attraktivität bewertet werden - dieses Urteil wage ich nicht zu fällen.
Generell kann ich folgendes sagen: Attraktivität hängt zwar auch, aber nicht ausschließlich von der Optik ab. Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein machen attraktiv(er). Und ob man auf einer Wellenlänge liegt und die Chemie stimmt. Schließlich können wir auch nicht mit jedem Menschen eng befreundet sein - es kommt sozusagen auf die "Kompatibilität" an. Und da sind Sachen wie Klassenzugehörigkeit, kultureller Bezugsrahmen (hast du als Kind dieselben Zeichentrickfilme gesehen und Süßigkeiten gegessen wie ich") und Bildung ziemlich wichtig.
Asian Empowerment
Die Frage ist aber noch nicht komplett beantwortet. Deshalb will ich eine Gegenfrage stellen:Hast du selber ein Problem mit deinem Asiatisch-Sein? Fühlst du dich unwohl in deiner eigenen Haut? Ist dir das asiatische an dir peinlich?
Zumindest ich hatte lange Zeit ein Problem damit (vermutlich auch der Grund, warum ich anfing hier zu bloggen). Wenn ich Ablehnung oder negative Reaktionen erfuhr, bezog ich das sehr häufig auf mein Asiatisch-Sein. Dass ich manchmal mich einfach blöd verhielt, irgendwie ungeschickt war oder einfach nur taktlos, fiel mir erst sehr viel später auf.
Falls du so empfindest, wirst du deine eigenen Unsicherheiten in diesem Bereich möglicherweise auf andere projizieren. Unsere deutsche Umgebung ist ziemlich gut darin, uns Asiatische Deutsche zu ignorieren - viele wissen nicht einmal, dass es uns gibt. Dann fühlt sich die Ignoranz der Bio-Deutschen schnell wie offene Ablehnung an. Plötzlich scheint es, als würden andere dein Anders-Aussehen/Anderssein ablehnen, obwohl es vielleicht nur deine verinnerlichten Horrorszenarien sind, die sich da entfalten. Ich will hier Alltagsrassismus auf keinen Fall kleinreden, aber die Umgebung ist manchmal weniger feindlich gesinnt als wir denken. Gedankenlos - ja, auf jeden Fall. Aber die wenigsten sind bösartig.
Leider bin ich keine Psychologin, um wirklich handfeste Tipps oder gar eine Anleitung fürs Daten zu geben. Nur so viel: Man muss lernen, sich von der (vermeintlichen) Meinung anderer freizumachen. Das ist für Minderheiten wie uns eventuell schwieriger, weil wir nicht nur mit Vorstellungen ringen, was "Deutsch" sein bedeutet, sondern auch was an uns denn "asiatisch/tamil/chinesisch/vietnamesisch/etc." ist - und was letztendlich unsere ganz individuelle Persönlichkeit ausmacht, als Schnittmenge aus unserem Ich, der Familie, Herkunft, Wohnort, sozialen Kontakten. Die Quintessenz klingt banal: Sei du selbst und respektiere dich mit allen deinen Facetten. Dieses ganze Gerede von Selbstfürsorge und Selbstliebe, ehe man zur romantischen Liebe voranschreiten kann: Es stimmt. Es ist zum einen leichter, andere Menschen kennenzulernen, wenn man sich einigermaßen in sich selbst gefestigt fühlt und eine Beziehung (oder eine Affäre) ein nettes Plus sind, aber nicht das eigene Glück definieren. Zum anderen, und das ist viel wichtiger, fühlt man sich einfach in sich selbst wohler. Man ist sich sein eigenes Zuhause. Ob man dann noch jemanden dazu einlädt, kann man dann immer noch entscheiden.
Übrigens habe ich mal meinen Ex-Freund gefragt, warum er mich damals in der Bar eigentlich angesprochen hat und ob mein Asiatisch-Sein eine Rolle gespielt hätte. Er antwortete darauf lapidar: "Ich fand dich einfach süß."