BlogF Blogparade: Informationsflut



Weil ich es letzten Monat nicht geschafft habe, an der BlogF Blogparade teilzunehmen (übrigens freut sich das Team über jeden Kommentar und jeden Beitrag, jede/r darf mitmachen!), widme ich mich diesmal dem Thema - was war das Thema?

Informationsflut. 


Dieses Wort ist, unschwer erkennbar, eine Metapher: Informationen werden mit einer Naturgewalt gleichgesetzt, gegen die man als Mensch wehrlos ist. Eine Flut kann plötzlich kommen, sie überschwemmt alles und reißt es mit sich. Auch wenn man Deiche und Dämme zum Schutz dagegen baut: wenn es ganz hart kommt, ist auch das sinnlos. Ich frage mich aber, ob das Bild der Flut wirklich so gut passt.

TMI = Too Much Information.

Heutzutage stellt sich schnell das Gefühl ein, von Informationen überschwemmt zu werden, regelrecht darin zu ersaufen. Stichwort: TMI. Man muss nur Laptop oder Smartphone anschalten, schon ergießt sich ein ergiebiger Strahl an Daten. Der erste Fehler der Flut-Metapher: Anders als bei einer Naturkatastrophe kann ich selbst bestimmen, ob ich den Damm öffnen will. Es liegt in meiner Hand. Dann ist der Umgang mit TMI eine Frage persönlicher Disziplin. Banalstes Beispiel sind Serienspoiler. Als im Januar die neue Sherlock-Staffel herauskam und ich verhindern wollte, dass Tumblr mir mit Gif-Sets alle wichtigen Plotpunkte ruiniert, war meine Lösung: Dem zuvorkommen und die Serie sofort live gucken. Zugegeben, eine Verzweiflungstat. Aber etwas, das ich selbstverantwortlich tun kann.

Zweiter Fehler: Information ist ein Wort mit neutraler bis positiver Konnotation. Ein Mehr an Informationen hält man in der sogenannten Informationsgesellschaft für etwas Gutes. Nur sollte man nicht den Fehler machen und sie mit Wissen gleichsetzen. Das Internet ist zwar voll von Informationen, aber dabei handelt es sich selten um Dinge, die ich wissen will. Kommentarspalten sind mitunter ein Hort von Unwissen, gepaart mit Boshaftigkeit. Daneben gibt es dann noch digitale Belästigungen wie Penis-Bilder oder allgemeines Getrolle. Der Glaube, der Mensch sei die Krone der Schöpfung, verliert sich schnell in Netzkommentaren und Tweets.


Informationsflut: Ja, bitte!

Die Flut-Metapher hat andererseits Aspekte, die gut passen. Nehmen wir an, ich will eine Informationsflut: Ich muss etwas Wichtiges wissen, zum Beispiel zum Konflikt in der Ukraine oder zur Zukunft der Arbeit. Wie bei natürlichen Fluten weiß ich nicht, was kommt. Fruchtbarer Schlamm, klares Wasser oder Industrieabfälle? Ich wate durch ein Meer an Halbfakten, Unwahrheiten oder Lügen und muss darauf hoffen, dass die guten Sachen an mir vorbeitreiben. Ordentlich recherchiert, ausgewogen, möglichst nicht voreingenommen oder zumindest so gestaltet, dass ich mir eine Meinung bilden kann, und leicht verständlich - das wäre großartig.

Das Problem heute ist also folgendes: Uns wurden schon früher Informationen geliefert, aber es gab nicht so viele Kanäle. Es gab die Tageszeitungen, die verfolgten die eine oder andere Ideologie (rechts/links), das Fernsehen (ganz früher nur öffentlich-rechtlich), das wars. Man fühlte sich gut informiert, wenn man abends die Tagesschau gesehen hatte. Die Frage nach Qualität oder weiteren Sichtweisen stellte sich zwar auch damals schon, war aber meist vergebene Liebesmüh. Es gab ohnehin kaum Alternativen. Das Angebot ist heute viel größer. Zumindest scheinbar.

Rettungsboot gesucht

Es ist wie verhext: Je mehr Informationen ich habe, desto dümmer komme ich mir vor. Wenn sich die Qualität von Informationen in der Informationsflut in einem Kontinuum zwischen "kompletter Bullshit" und "42*" bewegt, muss ich das erkennen und dazwischen navigieren können. Gut, dass ich ein Rettungsboot habe. Mein Urteilsvermögen. Es ist zusammengeschustert aus meiner Erziehung, meinem sozialen Umfeld, Popkultur und Geschichten, Kategorien und Konzepten sowie Lebenserfahrungen. Dank meinem Rettungsboot kann ich leidlich navigieren, mich orientieren und mir die "guten Sachen" aus der Informationsflut herausfischen.

Natürlich könnte ich mich großen Schiffen anschließen, den Ideologien. Liberal, konservativ, rechts, links, ökologisch, anarchistisch, westlich, östlich. Navigieren wäre leichter, ich hätte Gesellschaft, könnte auch mal auf dem Deck entspannen. Aber das will ich nicht. Ich will mich nicht vereinnahmen lassen. Ich lasse mich von ihnen manchmal versorgen, aber meine Nussschale verlasse ich nicht. Lieber bin ich Kapitänin meines eigenen Schiffs. Auch wenn es klein und schäbig ist. Aber ich versuche, es beständig zu verbessern, um vielleicht die Wahrheit zu finden.




Wahrheit finden klingt sehr esoterisch. Aber soweit ich verstanden habe, geht es der Informationsgesellschaft letztendlich genau darum: eine Reduktion der Lücken in unserem Wissen und eine Maximierung von Wissen und damit Wahrheit (leider meist zur Maximierung von Profit, aber das ist eine andere Geschichte).

Wahrheit ist ein Anspruch, den keine Information der Welt erfüllen kann. Und schon gar nicht die digitale Informationsflut. Die modernen Technologien gaukeln uns vor, dass wir Allwissenheit haben könnten. Die große Erlösung stellt die angebliche Informationsflut jedenfalls nicht dar.


*Douglas-Adams-LeserInnen wissen, dass das eine Referenz auf die Antwort auf alle Fragen und die Existenz überhaupt ist.

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