kate hers RHEE traf ich in Berlin auf der korientation-Feier. Ihr Name war mir vorher schon bekannt, weil mir mal jemand ihre Webseite als Tipp zugesteckt hatte. Als Künstlerin beschäftigt sie sich mit Fragen von Identität. Dabei kann sie aus ihrer eigenen vielschichtigen Identität als Koreanisch-Amerikanerin in Deutschland schöpfen.
Anlässlich ihrer Ausstellung in der IBB-Videolounge in der Berlinischen Galerie vom 30. April bis 26. Mai 2014 habe ich sie interviewt und sie ausgiebig zu ihrer Arbeit befragt. An dieser Stelle noch einmal Danke an kate für ihre ausführlichen Antworten!
Portrait of the Artist, armed and grateful ©2011 kate hers RHEE and Jesse Bercowetz |
D!B: Erzähl ein bisschen über dich: Wie bist du Künstlerin geworden?
khR: Ich wurde in Seoul geboren und bin in den Vorstädten von Detroit aufgewachsen, habe in Seoul, Detroit, Boston, Irvine, Zürich und Los Angeles in dieser Reihenfolge gelebt und gearbeitet, bevor ich 2009 nach Berlin zog. Insgesamt habe ich an 35 verschiedenen Orten in 15 Jahren gelebt. Deshalb ist es eine Erleichterung, sich irgendwo dauerhaft niederzulassen. Diese nomadische Existenz war zwar aufregend, aber auch atrophisch für meine künstlerische Arbeit und meine körperliche und seelische Gesundheit.
Ich wurde im Jahr des Drachen geboren und bin Widder. Meine Lieblingsfarbe ist Kelly-Grün. Ich habe meinen Führerschein mit 15 gemacht, aber ich kann nur Automatik fahren. Ich habe einen schwarzen Gürtel im Taekwondo seit ich 12 bin, aber damit aufgehört wegen rassistischer Hänseleien.
Obwohl ich Kunst acht Jahre lang studiert und zwei Abschlüsse in Bildender Kunst habe, dachte ich immer, dass ich mal in Museumserziehung oder einer anderen Art von Non-Profit-Arbeit landen würde. Ich habe sehr lange auch während meines Studiums in Kalifornien daran gezweifelt, ob ich tatsächlich als bildende Künstlerin erfolgreich sein könnte. Aber erst mit meinem Umzug nach Berlin entwickelte sich meine Technik und ich fand meine ganz eigene Stimme.
Welche Medien nutzt du am häufigsten und warum?
Ich arbeite mit vielfältigen Medien - es hängt vom Projekt ab und was ich versuche zu erreichen. Ich folge meist einem konzeptionellen Ansatz: Projekt, Prozess und Recherche. Mit dem quasi-wissenschaftlichen Ansatz nähere ich mich analytisch und überlegt. Dennoch finde ich meinen kreativen Prozess ziemlich intuitiv. Schon als kleines Kind begann ich damit, mehrere Medien und Strategien anzuwenden - damals beendete ich nie, was ich begann, ich war schnell gelangweilt und hatte Schwierigkeiten beim Lernen. Später als junge Erwachsene erklärte mir ein Arzt, dass ich vermutlich nah an einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung bin, was aber nie diagnostiziert wurde. Aber ich hatte Glück, dass ich meine Einschränkungen überwinden konnte.
Mein Grundstudium war eine wilde Zeit, weil ich mit Zeichnung, Malerei, Fotografie, Video, Performance, Film, Sound-Kunst, Druck und Skulptur experimentierte. Ich war wie ein Kind im Süßigkeitenladen - ich konnte mich nicht auf eins konzentrieren. Später habe ich mich doch auf Performance fokussiert, weil die meisten meiner Kurse in diesem Institut stattfanden. Als ich meinen Master machte, habe ich hauptsächlich mit Zeichnung und Video gearbeitet. In den letzten Jahren habe ich mich meist mit sozialer Intervention und Performance beschäftigt, die entweder von einer Kamera dokumentiert oder speziell für die Kamera aufgeführt wird.
Eines deiner Hauptthemen ist "transnationale und kulturelle Identität". Was bedeuten dir diese Themen und wie verarbeitest du sie in deiner Kunst?
Wahrscheinlich hatte die Erzählung meines Lebens einen großen Einfluss auf meine künstlerischen und wissenschaftlichen Interessen. Vielleicht bin ich so viel umgezogen, weil ich auf der Suche nach etwas war, etwas, an das ich mich klammern konnte, etwas Vertrautes. Ich habe mich nie richtig zu Hause gefühlt. Transnationalismus und kulturelle Identität sind Themen, an die man täglich denkt, wenn man im Ausland wohnt. Die Themen wurden für mich dort wichtiger, wo meine Identität nicht so einfach kategorisiert werden konnte, etwa in Korea oder hier in Deutschland. Traurigerweise sogar in den USA, wo die asiatisch-amerikanische Bevölkerung gedeiht - politisch stehen wir weiterhin am Rand und werden nie richtig als echte AmerikanerInnen akzeptiert. Anti-asiatische Diskriminierung floriert immer noch.
Natürlich ist es schwierig, sich in der eigenen Kunst politisch zu engagieren ohne belehrend zu sein. Als Produzentin von Kulturgütern bin ich zuallererst Künstlerin. Ich möchte etwas Zeitloses und Universelles herstellen, selbst wenn ich weiß, dass es schwierig ist. Deshalb gehe ich meine Tätigkeit mit viel Neugier, Verspieltheit und Offenheit an. So versuche ich, meinen ästhetischen Anforderungen treu zu bleiben ohne meine gesellschaftliche Verantwortung und theoretische Position zu vergessen. Meine künstlerischen Handlungen betrachte ich als Experimente, die mehr über eine Kultur, eine Sprache, eine Überzeugung verraten. Provokation und Unbehagen können genauso genutzt werden um Neues zu teilen und eine andere Perspektive zu zeigen. Ich denke, es ist möglich, sowohl hohen künstlerischen Wert als auch eine effektive politische Aktion zu erreichen.
7 Drawings, 28 Kisses ©2013 estherka photo credit: Aleks Slota |
Hat dein Umzug nach Berlin deine Selbstwahrnehmung, deine Koreanische/Asiatisch-Amerikanische Identität oder deine Identität als Mensch verändert?
Mein Konzept meines Selbst wurde nach meinem Umzug nach Berlin zerschmettert, im positiven und negativen Sinn. Jeder Mensch, der in ein fremdes Land zieht und sich dort dauerhaft niederlässt, muss zweifelsohne seine Selbstwahrnehmung verändern. Meine Arbeit wurde sicherlich mit Ideen von Selbst und Sein besetzt, was offensichtlich durch das Infragestellen meiner Existenz als Fremde in Deutschland befeuert wurde.
Außerdem ist meine Identität als Koreanisch-Amerikanerin oder Asiatisch-Amerikanerisch eine spezifisch amerikanische und mein Anspruch dieser Identität wird in Europa meist nicht besonders akzeptiert oder verstanden. Wobei in den letzten viereinhalb Jahren die Leute verständnisvoller geworden sind und mich nicht mehr in ihre Schubladen stecken.
Eine Sache möchte ich besonders erwähnen, die mir in Europa ziemlich regelmäßig begegnet und die ich kaum beachtet habe, als ich in Los Angeles mit einer großen asiatischen Bevölkerung gelebt habe: Mir fiel viel stärker auf, dass ich als sehr sexualisiertes, objektifiziertes Wesen wahrgenommen werde. Die Schnittmenge meiner Ethnie und meinem Geschlecht befeuert den europäischen Fetisch vom "Anderen". Natürlich gibt es sexuell konnotierte Stereotype auch in den USA, aber ich begegne viel mehr - wie soll ich es nennen - "AnhängerInnen" solcher Stereotype in Europa. In dieser Hinsicht bin ich dankbar, einen POC Partner zu haben.
In deiner Performance "And then there were none." beziehst du dich auf das Kinderlied "Zehn kleine N****lein" sowie auf die Unruhen zwischen Afro-AmerikanerInnen und Koreanisch-AmerikanerInnen. Welche Ähnlichkeiten und Unterschiede siehst du bei Rassismus in den USA und in Deutschland?
Sicherlich gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Rassismus, aber meine Absicht war nicht, das zu vergleichen oder gegenüberzustellen. In "And then there were none." interessierte mich, auf welche komplizierte Art und Weise rassifizierte und gegenderte Körper (re)produziert, reduziert und essentialisiert werden. Die zahlreichen Bedeutungsschichten in der Arbeit sollen die Auffassungen von Kultur- und Geschlechterstereotypen durcheinanderbringen.
Die Position der Asiatin erscheint zunächst passiv und gehorsam zu sein aufgrund ihres stoischen Schweigens, aber dann bemerkt man, dass der Schwarze derjenige ist, der am verwundbarsten ist und sich am unwohlsten fühlt durch seine performativen Küsse. Der implizite Bezug zu den Unruhen in Los Angeles und der Gewalt zwischen der koreanischen und afro-amerikanischen Community wurde nur verständlich, weil ich die Arbeit so formuliert habe , dass sie die Theorie von rassischer Triangulation/Dreiecksmethode zwischen Schwarzen, AsiatInnen und anderen (White Gaze) hervorrufen und mit ihr im Dialog stehen kann. Laut Claire Kim, die diesen Begriff geprägt hat, werden "Asiatische AmerikanerInnen nicht in einem Vakuum rassifiziert, isoliert von anderen Gruppen; im Gegenteil: Asiatische AmerikanerInnen wurden in Relation zu Weißen und Schwarzen rassifiziert. Dadurch sind die jeweiligen Rassifizierungsvorgänge dieser Gruppen eng miteinander verwoben." Der/die BetrachterIn der Arbeit besetzt die vordergründige Standardperspektive, bedingt durch den historischen ethnografischen Rahmen weißer Europäer, aber hier sind sie absichtlich gezwungen, außerhalb dieses Rahmens zu warten, als BeobachterIn, aber nicht als TeilnehmerIn.
Viele deiner Arbeiten machten mich nachdenklich, teilweise waren sie verstörend - auf positive Art. In dem Bewusstsein, dass eine biographische Interpretation jeglicher Kunst zu kurz greift, und dass Kunst etwas ist, bei dem das Publikum reagieren oder den Sinn herstellen muss: Hast du eine bestimmte Reaktion oder ein Gefühl im Kopf, das du im Publikum auslösen willst, wenn du etwas wie "Ach du heilige Scheiße!" erschaffst?
Der erste Impuls um "Ach du heilige Scheiße!" zu machen kam instinktiv. Die Sätze kamen mir so schnell wie ein Gedicht, fast mühelos. Das Werk hat sich unbewusst in meinem Kopf in einigen Monaten geformt. Ich war gerade dabei, "das deutschsprachliche Projekt Teil 2" zu erstellen, ein Sprachlern-Blog und eine soziale Intervention die versucht, AusländerInnen Schimpfwörter "beizubringen" damit sie sich integrieren können. Erst später stellte ich fest, dass das sehr strategisch gedacht war, eine Form von Lernen oder Unterhaltung wie Lehrvideos oder Karaokevideos zu nutzen um hasserfüllte Sprache zu destabilisieren und zu entmachten. Deutsche können durchaus über schwierige Themen wie Rassismus und Sexismus reden, wenn sie lachen.
Derzeit bereitest du deine nächsten Ausstellungen in Berlin vor - könntest du ein bisschen mehr dazu sagen?
Danke, dass du fragst. Einige meiner Performance Video-Arbeiten werden einen Monat lang in der 12x12 IBB-Videolounge in der Berlinischen Galerie im Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur gezeigt. Im Moment bereite ich mich auf eine Abendausstellung vor die am 6. Mai in der Marianne Bar stattfinden wird. Konstanze Hanitzsch, Angie Tsaros und Konstanze Schmitt organisieren sie im Rahmen der Queer Salon Serie.
Gibt es KünstlerInnen, die du bewunderst und die dich inspirieren?
Als junge Studentin wurde ich sehr stark beeinflusst von den Werken von Ana Mendieta, Adrian Piper, Teh Ching Hsieh und dem Theoretiker Edward Said - ich sehe immer noch ihren Einfluss auf mein Werk, selbst zwanzig Jahre später. Mich inspirieren auch die KünstlerInnen Shirin Neshat, Aktivistin Grace Lee Boggs, und die Wissenschaftlerin Rey Chow. Ich liebe das American National Public Radio und höre mir regelmäßig die Podcasts an: Planet Money und Freakonomics, für meine popkulturelle Dosis an sozialer Verhaltensökonomie. Soziale Verhaltensökonomieforschung und -kommentare spielen eine große Rolle darin, wie ich meine sozialen Interventionen begreife. Eine Weile war ich regelrecht süchtig nach der Rachel Maddow Show, einer amerikanischen News- und Politikkommentar-Sendung im Fernsehen, aber ich verzichte inzwischen darauf um mein Deutsch zu verbessern.
Danke für das Interview!
*In der Performance sitzt eine Asiatin einem Schwarzen Mann gegenüber. Sie trägt eine Art "Zaumzeug" aus dem BDSM-Bereich, der ihren Mund immer offen hält. Er steckt ihr Schokoküsse in den Mund und isst sie von ihrem Mund weg, was aussieht wie ein Kuss. Je länger die Situation geht, desto unangenehmer wird es. Anm. D!B
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