"Die Blockflöte hat das selbe Image in Korea" - Interview mit Blockflötist Yeuntae Jung


Illustration von Nguyen I Linh

Zurück aus Berlin - ich hatte einige sehr schöne Tage, von denen ich noch berichten werde. Zwar habe ich auch dank des bescheidenen Wetters überhaupt kein Sightseeing gemacht, doch inzwischen genieße ich es einfach, auf Reisen einfach "nur" neue Leute kennenzulernen.

So ergab es sich, dass mich eine neue Bekanntschaft, Ngoc Anh, zu einem Konzert einlud. Ein Bekannter von ihr spiele sein Wettbewerbsprogramm sozusagen als Testlauf und würde sich über Publikum freuen. Achja, er spiele Blockflöte.

Nun ist Blockflöte in den meisten Kreisen als Kinderinstrument verschrien - bei den meisten werden Erinnerungen an quälende Musikstunden in der Grundschule wach, wo dreißig Kinder versuchen, so etwas wie Musik zu produzieren. Und oft genug scheitern.

Persönlich habe ich keine Berührungsängste bei Blockflöten. Es kommt eben auf die MusikerInnen an, denn auch Blockflöten können virtuos und meisterhaft gespielt werden. Meine Annahmen wurden beim Konzert bestätigt: Yeuntae Jung interpretiert barocke Stücke, aber auch moderne Literatur hervorragend - ob solo oder mit Barockcello- und Cembalo-Begleitung. Leuten dabei zuzusehen, wenn sie mit Leidenschaft ihren Neigungen und Talenten nachgehen, ist eine wahre Freude.
(Notiz an mich selbst: Die Partita in a-moll von Bach lässt sich auch rhythmisch sehr frei, ja fast schon swingend spielen.)

In der Tat fand ich das Konzert so interessant, dass ich Yeuntae interviewt habe.

Das Konzertprogramm

Zunächst einmal: Wie war dein eigener Eindruck vom Konzert?
Es war, wie das Programm beschreibt, ein Pre-Wettbewerbskonzert - ich habe das gesamte Programm durchgespielt, das ich dort in drei Runden spielen werde. Von daher war es schon fast ein bisschen viel für mich, das alles auf einmal zu spielen.

Könntest du mir etwas zu deiner Person sagen?
Mein Name ist Yeuntae Jung, ich studiere im Hauptfach Blockflöte und bin deshalb im Sommer 2009 nach Deutschland gekommen. Ich mache eine künstlerische Ausbildung die zum Ziel hat, dass wir die Musik aus Barock, Renaissance und teilweise auch aus dem Mittelalter so spielen wie sie damals gespielt wurde.

...also im Sinne einer historischen Aufführungspraxis?
Genau.

Blockflöte ist ja ein ungewöhnliches Instrument für virtuoses Spielen...
(wie aus der Pistole geschossen)...Ja!

...Es hat den Ruf eines Kinderinstruments. Wie bist du selbst zur Blockflöte gekommen?
Ganz normal wie in Deutschland auch: In Korea lernt man in der Grundschule Blockflöte als Anfängerinstrument. Damit habe ich Musik gelernt und das hat mir so gefallen, dass ich weitergemacht habe. Dann dachte ich mir: OK, warum nicht auch gleich studieren und dann entschied ich mich, dafür nach Deutschland zu kommen.

Wie ist denn das Image der Blockflöte in Korea?
Genauso wie hier. Kinderinstrument, ein bisschen belächelt.

Du hast beim Konzert auch moderne Stücke gespielt. Gibt es viel Literatur oder muss man danach suchen?
Für Blockflöte gibt es ganz viele moderne Stücke. Es ist so: Entweder hat man Barockmusik wie Bach und Telemann oder noch ältere Literatur. Oder man hat Repertoire ab den 1920er Jahren. Dazwischen, also aus der Klassik, gibt es gar nichts.

Dann bist du auf ganz alte oder ganz neue Musik beschränkt. Hast du eine Lieblingsepoche oder einen Lieblingskomponisten?
Ich würde sagen Barock. Johann Sebastian Bach ist mein Lieblingskomponist.

Was sind die technischen Herausforderungen beim Flötespielen? Ich selbst spiele nur Querflöte, wo man dank der Klappen ja recht viel Kontrolle über Töne und den Klang hat. 
Eine moderne Querflöte hat viel mehr Löcher als eine Blockflöte. Deshalb hat man so viele Klappen für verschiedene Griffkombinationen, weil man so mehrere Löcher mit nur einer Klappe schließen kann. Das wurde gemacht, damit das Instrument sozusagen perfekt wird.
Da Blockflöte im Vergleich dazu so wenig Löcher hat, ist es schwieriger, an der Intonation zu arbeiten. Um das zu kontrollieren muss man zum Beispiel ein Drittel eines Lochs abdecken. Das ist bei jedem Instrument anders. Bei jeder neuen Blockflöte muss man eine gewisse Zeit daran arbeiten, damit man das Instrument beherrscht.
Auch mit der Zunge und an der Artikulation muss man arbeiten. Wenn man moderne Musik spielt, gibt es ganz viele Effekte, wie Multiphonics, was ich beim Stück von Moritz Eggert gemacht habe - bei diesem Stück singe ich ins Instrument.

Bei dem Stück von Hannan hast du auch extrem perkussiv gespielt. Die Blockflöte klang richtig metallisch, wie elektronische Musik.
Das Stück "Dream" von Hannan ist ein minimalistisches Stück und bei Minimalism spielt man eine Figur, die eigentlich ganz einfach ist. Da arbeitet man mit Überblasen, also mit ganz viel Luft, und wieder mit Multiphonics. Dadurch entsteht ein ganz anderer Klang und es wird zweistimmig.

Barockcello: Hyungun Cho - Cembalo: Natalie Pfeiffer - Blockflöte: Yeuntae Jung

Wir hatten schon über das Image der Blockflöte gesprochen. Wie reagiert das Publikum darauf?
Zu den Konzerten kommen meist Leute, die schon wissen, was man mit dem Instrument machen kann. Das sind Kenner. Im Alltag aber, wenn ich mich als Blockflötist vorstelle, muss ich meistens mehr erklären. Das finde ich aber nicht so schlimm.

Wahrscheinlich ist das ein Problem von klassischer Musik generell, ein neues Publikum erreichen. Meistens besteht es doch aus Leuten mittleren Alters mit bürgerlichem Hintergrund...
...Ja, genau. Ich finde die Musik so toll und es ist schade, dass nur Kenner zu den Konzerten kommen. Es gibt so viele Konzerte, die richtig gut sind, etwa an den Unis. Viele davon sind kostenlos und dennoch werden die überhaupt nicht besucht. Das ist sehr schade: Die Studierenden sind schließlich die Leute, die jetzt aktiv sind und toll spielen können. Werbung fehlt eben auch.

Was sind deine Pläne für die nächste Zeit?
Ich mache jetzt erst einmal mein Diplom und dann noch meinen Master, allerdings weiß ich nicht, ob ich dafür in Berlin bleibe. Ich habe außerdem ein Ensemble, mit dem ich letztes Jahr bei einem Wettbewerb einen Preis gewonnen habe. Wir geben auch ab und zu in Berlin Konzerte, diesen Monat waren wir in Österreich. Auf jeden Fall werde ich weiter spielen, studieren und als Musiker arbeiten.

Dein nächster Wettbewerb ist in Münster?
Genau, das ist ein Holzbläserwettbewerb mit Blockflöten, Querflöten, Fagott, Oboe und Saxophon. Blockflöte ist übrigens das einzige historische Instrument dort. Am Donnerstag (27.3.) geht es los.

Dann wünsche ich dir viel Erfolg bei den Wettbewerben und danke für das Gespräch!

Hier einige Kostproben zum Reinhören: Ein Allegro aus Bachs Sonate in e-moll (BWV 1034) sowie ein kleiner Ausschnitt aus Moritz Eggerts "Außer Atem" (das Stück geht über sechs Minuten und ist etwas sperrig, außerdem ist der Komponist noch nicht tot, weshalb ich aus urheberrechtlichen Gründen lieber nicht das Ganze poste):







Wie ihr oben sehen könnt, hat Nguyen I Linh den Beitrag illustriert - vielen Dank dafür! Vielleicht werdet ihr noch öfter seine Werke hier bewundern können :)

CONVERSATION

0 Kommentar/e:

Kommentar veröffentlichen