Der offene Brief wurde von Dr. Kien Nghi Ha, Nataly Jung-Hwa Han und Noa Ha initiiert und wendet sich an die Verantwortlichen des Heimathafen Neukölln. Ich gehöre zu den ErstunterzeichnerInnen und unterstütze die Aktion ausdrücklich.
Edit: Es ist weiterhin möglich diesen offenen Brief
durch Unterzeichnung zu unterstützen. Sowohl
Menschen of Color mit und ohne asiatischem Background als auch solidarisch-kritische Weiße
sind als Unterstützende willkommen. Eine regelmäßig
aktualisierte Version mit allen
UnterstützerInnen wird künftig auf www.korientation.de verfügbar sein.
Bitte eine E-mail an info[at]korientation.de in diesem Format schicken:
Vorname Name (Beruf/Verein, Stadt)
Die Angabe des Berufs oder von
Vereinstätigkeiten sind optional, aber
erwünscht, weil sie die Kompetenzbereiche des Unterzeichnende anzeigen.
Die PDF des offenen Brief steht hier zum Download bereit.
6. Februar 2014
Sehr geehrte Stefanie Aehnelt,
da Sie die
künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin des Heimathafen
Neukölln (Berlin) sind, wenden wir uns heute mit einem offenen Brief
an Sie. Wir haben zu unserem Entsetzen erfahren, dass bis zum 04.
Februar 2014 über einen längeren Zeitraum hinweg trotz
eingegangener Beschwerden der Heimathafen Neukölln im Rahmen seiner
Ausstellung "I love NK" ein für asiatische Menschen
unzweifelhaft verletzendes Bild gezeigt hat. Auf diesem Foto ist eine
blonde weiße Frau in einem weißen Heimathafen-T-Shirt mit dem
Aufdruck "I love NK" in einer ostasiatisch anmutenden
Parkanlage zu sehen. Ihr grinsendes Gesicht reproduziert ein altes
und sehr herabsetzendes rassistisches Stereotyp, indem sie mit ihren
Fingern ihre Augen zu "Schlitzen" hochzieht.
Als belesene und
kulturell gebildete Personen sind wir uns sicher einig, dass diese
Darstellung anti-asiatischen Rassismus fördert. Das Bild vermittelt
die Macht, als überlegen fühlende Weiße in Blackfacing-Manier sich
über "asiatisch" Aussehende lustig zu machen und dabei ihr
Gesicht zu einer Grimasse zu deformieren. Sowohl die zynische
Karikatur (ost)asiatischer Menschen als hinterhältige Unmenschen als
auch der Mythos der "Schlitzaugen" als typisch
ostasiatische Attribute verfügen über eine jahrhundertalte
kolonial-rassistische Tradierung. Auch die publizistische Kultur in
Deutschland engagierte sich stark im Kampf gegen die "gelbe
Gefahr" und bemühte gerne solche biologistischen Feindbilder.
Umso erschreckender ist daher der Umstand, dass diese rassistische
Entgleisung als aktueller künstlerischer Beitrag im Heimathafen
Neukölln in einem offiziellen Rahmen über einen längeren Zeitraum
hinweg öffentlich präsentiert wurde. Dabei ist nicht die Frage
entscheidend, ob die Absicht rassistisch motiviert war, sondern die
Tatsache, dass diese Grimasse eine rassistische Wirkung besitzt.
Hinzu kommt, dass der verletzende Bildbeitrag als Teil der
Ausstellung geplant war und sich daher keineswegs spontan oder
zufällig ereignet hat.
Vor dem Hintergrund,
dass der Heimathafen Neukölln sich als Volkstheater versteht und mit
dieser Aktion weltweit für das interkulturelle Zusammenleben in
Berlin-Neukölln werben will, ist der hier offensichtlich zelebrierte
anti-asiatische Rassismus besonders schwerwiegend und bedauerlich.
Wir haben bereits von vielen Menschen aus der asiatischen Community
in Neukölln und darüber hinaus zahlreiche Reaktionen erhalten;
viele sind zutiefst verunsichert und besorgt, dass sich selbst
Kulturinstitutionen an der anti-asiatischen Stimmungsmache beteiligen
und eigens produzierte rassistische Bilder verbreiten.
Wir fordern die
Leitung des Heimathafen Neukölln auf,
Verantwortung
zu übernehmen und sich
umgehend
öffentlich zu entschuldigen. Ferner fordern
wir Sie nachdrücklich dazu auf, diese künstlerische Entgleisung in
der Öffentlichkeit
lückenlos und
vorbehaltlos aufzuklären und bitten Sie auf
folgende Fragen einzugehen:
- Wie ist diese
Ausstellung zustande gekommen? Wer hat sie kuratiert? Nach welchen
Kriterien erfolgte die Auswahl der Bildmotive für die Ausstellung?
- Welche Gründe
haben die künstlerische Leitung bzw. die Kuratierenden dazu
bewogen, dieses Bild als vermeintlich positiven Kulturbeitrag in der
Ausstellung zu präsentieren?
- Welche
Intentionen und Ziele waren mit dieser Auswahlentscheidung
verbunden?
- Wie kann durch
ein solches Bildmotiv die Botschaft der Ausstellung "I love NK"
positiv transportiert werden? Sie schreiben in einer Antwort auf
einen Protestbrief: "Wir begegnen allen Kulturen mit Respekt
und Humor". Wir fragen uns, inwieweit das inzwischen abgehängte
Bild "allen Kulturen mit Respekt und Humor" begegnet.
Solche zynisch wirkende Antworten vermitteln den Eindruck, dass der
Heimathafen über Tage und Wochen hinweg der Auffassung ist, dass
mit verletzenden und diskriminierenden Bildern im Sinne der Werte
des Heimathafens Volkstheater auf Kosten von Minderheiten gemacht
werden kann. Wir haben eine andere Auffassung von Demokratie,
kulturellem Respekt und institutioneller Verantwortung gegenüber
der Diskriminierungsfreiheit in der Migrationsgesellschaft.
- Seit wann haben
Sie Kenntnis darüber, dass dieses rassistische Bild als verletzend
wahrgenommen wird? Uns ist bekannt, dass spätestens am 29.01.2014
erste Protestschreiben im Heimathafen Neukölln eingegangen sind.
Warum hat es bis zum 04.02.2014 gedauert bis diese Beschwerden
ernstgenommen und das verletzende Bild abgehängt wurde?
- Haben die
Ausstellungsmacher_innen bzw. hat die künstlerische Leitung des
Heimathafen Neukölln den rassistischen Gehalt dieses Bildes (nicht)
erkannt?
- Wurde zuvor
reflektiert, wie asiatische Menschen im In- und Ausland dieses Bild
empfinden werden? Waren die verletzenden Auswirkungen für Sie nicht
absehbar bzw. erwartbar oder spielen solche Überlegungen in Ihrer
Projekt- und Öffentlichkeitsarbeit keine Rolle? Sie haben in einem
Antwortschreiben auf eine Beschwerde ausgeführt, dass Sie keine
Rücksicht auf "oberflächliche political correctness" zu
nehmen bräuchten. Wie ist diese Aussage in diesem konkreten Fall zu
verstehen?
- Sehen Sie einen
Widerspruch zwischen der von Ihnen definierten Form der
künstlerischen Freiheit und anti-rassistischen Prinzipien wie etwa
der Wertschätzung von Nicht-Diskriminierung und interkultureller
Willkommenskultur? War es für die künstlerische Leitung selbst
nach besorgten Nachfragen nicht erkennbar, dass das
stereotypisierende Bild keinen positiven Beitrag für diese Ziele
leisten kann?
- Der Heimathafen
Neukölln hat in vorangegangenen Antworten auf Beschwerden von
Ausstellungsbesucher_innen und besorgten Einzelpersonen seine
interkulturelle Expertise und die langjährige Erfahrung bei der
Bearbeitung von Migrationsthemen hervorgehoben. Wie ist diese
Kompetenz mit der unkritischen Auswahl dieses Bildmotivs und der
wiederholt laxen Reaktion auf Beschwerden vereinbar?
- Hat das
künstlerische Qualitätssicherungssystem in Ihrem Haus in diesem
Fall versagt?
- Wie will der
Heimathafen Neukölln zukünftig sicherstellen, dass in seiner
Kulturarbeit rassistische Diskurse und ausgrenzende Botschaften
nicht mehr in die Öffentlichkeit transportiert werden?
- Was plant der
Heimathafen Neukölln nach diesem rassistischen Vorfall zu tun, um
asiatisch markierten Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass wir in
diesen Räumen uns kulturell wie menschlich wohl fühlen können und
hier willkommen sind?
- Wir fordern Sie
auf, in Ihren Räumen zu einer öffentlichen
Diskussionsveranstaltung zu dieser Problematik einzuladen und
Mitteln für die Durchführung bereitzustellen (wie
Aufwandsentschädigung, Fahrt- und Hotelkosten,). Bei der
Konzeption, Organisation als auch auf dem Podium müssen
Vertreter_innen der deutsch-asiatischen Community gleichberechtigt
beteiligt sein.
- Da ein
fundiertes Wissen über Asiatische Deutsche, unsere
Selbstwahrnehmungen und Perspektiven sowie über unseren
diasporischen Kulturpraktiken anscheinend im Heimathafen fehlt,
weisen wir Sie auf folgende Publikationen hin: Nächste Woche
erscheint das Dossier "Asian Germany – Asiatische Diaspora in
Germany" im Migrationsportal der Heinrich Böll Stiftung
(http://heimatkunde.boell.de). Ferner ist April 2013 im Kultur- und
Gesellschaftsmagazin "freitext" ein Sonderheft zu diesem
Thema erschienen. Außerdem ist im Berliner Verlag Assoziation A das
Buch „Asiatische Deutsche. Vietnamesische Diaspora and Beyond“
(2012) veröffentlicht worden. Gerne empfehlen wir Ihnen bei
Interesse weitere Literaturhinweise zur kulturellen Weiterbildung.
Wir danken für Ihre
Aufmerksamkeit und bitten Sie eindringlich um Stellungnahme zu
unseren Fragen und Forderungen. Über eine baldige Antwort würden
wir uns freuen. Da dieses Problem ein öffentliches ist und sich in
der Öffentlichkeit ereignet hat, behalten wir uns das Recht vor,
alle Reaktionen auf diesen offenen Brief publik zu machen.
Ansprechpersonen
Dr. Kien Nghi Ha, korientation e.V,
info[at]korientation.de
Nataly Jung-Hwa Han, Korea Verband e.V.,
mail[at]koreaverband.de
Noa Ha, Migrationsrat Berlin-Brandenburg e.V.,
noa.ha[at]mrbb.de
Unterzeichnende
Organisationen und Personen
Dongha Choe
(Fotograf, Korea-Verband, Berlin)
Sera Choi
(korientation, Berlin)
Tahir Della
(Vorstandsmitglied Initiative Schwarze Menschen in Deutschland,
Berlin)
Mai Ngo Thi Dong
(Studienrefendarin, Vorstand VIEW, Berlin)
Meral El (Kultur-
und Sozialwissenschaftlerin, Vorstand Migrationsrat
Berlin-Brandenburg)
Dr. Kien Nghi Ha
(Kulturwissenschaftler, Vorstand korientation, Berlin)
Noa Ha
(Stadtforscherin, Vorstand Migrationsrat Berlin-Brandenburg, Berlin)
Nataly Jung-Hwa Han
(Koreanistin, Vorstandsvorsitzende Korea-Verband, Berlin)
Thu
Thuy Hänelt-Do (Dipl. Kauffrau, VIEW,
Berlin)
Hieu Hoang (Autor,
Performer, cobratheater.cobra, Berlin)
Kiyomi Ikegana
Jee-Un Kim
(Rechtsanwältin, Vorsitzende korientation, Tübingen)
Mai-Phuong Kollath
(Dipl.-Pädagogin, Vorsitzende VIEW, Berlin)
Daniel Sanghoon Lee
(Unternehmensberater, Vorstand Korea-Verband, Dortmund)
Prof. You Jae Lee
(Historiker, Vorstand korientation, Tübingen)
Angelika Nguyen
(Filmwissenschaftlerin und Autorin, Berlin)
Mai-Thy Phan Nguyen
(Ärztin, Vorstand VIEW, Berlin)
Toan Nguyen
(Bildungsreferent, Mitglied Bildungswerkstatt Migration &
Gesellschaft, Berlin)
Dr. Prasad Reddy
(Geschäftsführer des Zentrums für soziale Inklusion Migration und
Teilhabe, Bonn)
Rebecca Sumy Roth
(Journalistin, Vorstand korientation, München)
Kimiko Suda
(Sinologin, Vorstand korientation; Co-Leiterin Asian Film Festival
Berlin)
Thi Yenhan Truong
(Bloggerin, Danger Bananas, München)
Ko Watari
(Rechtsanwältin, Hamburg)
Nuran Yigit
(Dipl.-Pädagogin, Sprecherin Migrationsrat Berlin-Brandenburg,
Berlin)
Dr. Rita Zobel
(Japanologin, Korea-Verband, Berlin)