Seien Sie attraktiv. Top-100-Listen und Benedict Cumberbatch

Seit Schwesterherz und ich nicht mehr zusammen wohnen, bleiben uns nur die Zillionen Möglichkeiten der modernen Kommunikation. Wir sprachen letztens via Skype über dies und das und kamen auch auf diese "Top 100"-Listen - hauptsächlich weil Schwesterherz Benedict Cumberbatch-Fan ist und er in einer dieser Listen Platz 1 belegte. Das fand meine Schwester sehr nachvollziehbar, ich hingegen nicht so. Attraktivität ist ein weites Feld: Einerseits gibt es die Forschung, die mathematisch abgezirkelte Muster von Schönheit zu finden versucht. Andererseits lautet eine alte Weisheit: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Oder der Betrachterin.

Da viele Zeitschriften im Laufe eine Jahres eine Liste von Menschen veröffentlichen, können wir einen genaueren Blick darauf werfen, wer im Zeitgeist des jeweiligen Jahres als besonders begehrenswert zu gelten hat. Die von Schwesterherz und mir betrachtete Liste stammte von www.empireonline.com und wurde von den UserInnen des britischen Magazins ermittelt. Thema: die 100 sexiesten Schauspielerinnen und Schauspieler 2013.

Ich habe mir die Zeit genommen, die Liste zu zerlegen und neu zusammenzusetzen. Was bedeutet Attraktivität überhaupt und was verraten diese Listen darüber, wer als Leitbild der Attraktivität gilt?

Jung sein = attraktiv sein.

Betrachtet man die Altersverteilung der Liste, erkennt man bei Frauen wie Männer gleichermaßen ein "Alter der größten Attraktivität". Die Kurve sieht folgendermaßen aus:


Erkennbar ist die starke Zentrierung bei den Frauen im Bereich zwischen 24 und 40, danach flacht die Linie merklich ab. Bei den Männern gibt es eine etwas gleichmäßigere Verteilung, selbst ein fast 70-jähriger ist dabei (Alan Rickman).

"Sexy" bedeutet bei Frauen etwas völlig anderes als bei Männern.

So weit, so banal. Das liegt nicht nur daran, dass sekundäre Geschlechtsmerkmale beim Männern wie Frauen unterschiedlich sind. Wer die beiden Listen vergleicht, stellt schnell fest, dass eigentlich alle Frauen ausnahmslos von einem objektiv-mathematischen Standpunkt attraktiv sind. Ich empfinde alle Gesichter als hübsch. Es gibt wenig Abweichungen von der "Normschönheit".

Bei den Männern liegt der Fall anders: Es gibt Männer in der Liste, die ich selbst eher sosolala finde. Ein kurzer Blick auf die Plätze 1 und 2 zeigt es - Attraktivität bei Männern hat nicht unbedingt mit einem objektiv attraktiven Gesicht zu tun. Benedict Cumberbatch sieht für mich ein bisschen aus wie ein Alien und Tom Hiddleston (obwohl ich ihn sehr schätze*) ist nicht gerade das Nonplusultra-Modelgesicht.Vielleicht sehe ich das falsch, aber bei den Herren scheint es mehr Vielfalt in der Physiognomie zu geben.

Optik ist alles?

Die Unterschiede bei der Darstellung von Männern und Frauen spiegeln sich auch in den Kurztexten wider - ordnet man diese danach, wie häufig von Aussehen und oder Leistung bzw. Persönlichkeit in den Vordergrund gestellt wird, ergibt sich folgendes Bild:


Bei Frauen wurden sowohl Aussehen als auch schauspielerische Leistung ähnlich häufig genannt - 42-mal vs. 39-mal. Bei Männern ist die Diskrepanz größer mit 31-mal Aussehen gegenüber 44-mal innere Werte. Bei den Schauspielerinnen lautet die Devise also: Nur objektiv gutes Aussehen gepaart mit Talent und Leistung ist attraktiv. Dieser Zusammenhang ist bei den Schauspielern nicht ganz so ausgeprägt.

Gehen wir noch einen Schritt weiter und filtern die Wortwahl der Texte. In den Graphiken sind die zwanzig jeweils am häufigsten auftauchenden Substantive und Adjektive herausgefiltert:



Sexy und tough sind die beiden häufigsten Adjektive für Frauen, während bei den Männertexten hot und good oft auftauchen. Vielleicht muss bei Frauen neben ihrem Sex-Appeal immer auch hervorgehoben werden, dass sie "nicht nur" schön sind, um sie ernstnehmen zu können. Die Begriffe sexy/Sex sind bei Männern viel seltener anzutreffen - das eher unspezifische hot reicht scheinbar als Zuschreibung. Seltsamerweise ist das häufigste Adjektiv/Substantiv das Wort man. Und wir wissen jetzt auch, dass Männer mit dem Attribut adorable durchaus als attraktiv gelten. 

Insgesamt gab es bei den Männern eine etwas größere Wortauswahl, weshalb die am häufigsten verwendeten Wörter absolut gesehen seltener vorkamen als bei den Frauen. Der verwendete Wortschatz an Zuschreibungen und Attributen von Frauen ist also ein wenig kleiner - woraus wir schließen können, dass die Beschreibungen der einzelnen Frauen weniger individuell sind als bei den Männern.

Weitere Erkenntnisse

Hier noch kurz im Schnelldurchlauf weitere Erkenntnisse. Das war so offensichtlich, dass wir uns die Infographiken sparen können:

Sei weiß. - People of Color sind allenfalls in homöopathischen Dosen vertreten (Idris Elba, Zoe Saldana, Halle Berry, Denzel Washington), AsiatInnen kommen gar nicht vor.

Sei nicht dick. Gilt bei Frauen und Männern gleichermaßen. Bei Männern gibt es ein bisschen die Wahl zwischen sehr muskulös oder eher schlaksig, bei Frauen ein bisschen zwischen etwas kurviger oder etwas weniger kurvig.

Hat das nun irgendeine Relevanz für unser alltägliches Leben? Nicht direkt. Aber ich weiß jetzt immerhin, was Schwesterherz an Herrn Cumberbatch findet, dank intensiver Recherchen (haha).

Überhaupt: Die wenigsten Menschen die ich kenne - Männer und Frauen gleichermaßen - machen körperliche Schönheit zum alleinigen Kriterium für die Wahl ihrer FreundInnen oder LebenspartnerInnen, auch wenn das durchaus eine wichtige Rolle spielt. Letztendlich zählen das Gesamtpaket und die persönlichen Vorlieben.

Achja, einen hab ich noch - die Liste der Männer im Schnelldurchlauf:






via 
(Achtung: viel NSFW-Content, Fan-Fiction und so)


Haha, oh mein Gott ^^ Manchmal bin ich leicht zu unterhalten.




*Schwesterherz hat mir ein Tom Hiddleston-Wallpaper vermacht. Ich bin Ende Zwanzig und habe einen digitalen Starschnitt im Zimmer.

Naekubis Nails - Edition 008: Teiche, Tümpel und Wasserleichen

Ehe sich wieder so viele Nailart-Bilder bei mir ansammeln, muss ich wieder posten. Die zu sehenden Bilder stammen von Anfang Oktober, als es plötzlich so kalt war, dass es kurzzeitig schneite.


Vielleicht sollte ich diese Maniküre erklären - sie ist in der sogenannten "Pond-Manicure"-Technik erstellt - Nagellack-Nerds können hier lesen, wie das geht. Für alle, die nicht die Geduld haben, das zu lesen: Ziel ist es, die Nägel wie kleine Teiche voller Blätter, Blumen oder ähnliches aussehen zu lassen. Der etwas wässerige Look ist also durchaus gewollt.


Ich habe an einen sehr dunklen Teich gedacht - potenziell einer, wo man eine Wasserleiche im Geschilf (ist das überhaupt ein Wort?) entdecken würde. Wenn etwas/jemand quasi ultimativ in die Binsen gegangen ist... Das erinnert mich wiederum an eine Englischstunde, in der unser Lehrer davon erzählte, wie er während seines Studiums einmal einer Autopsie einer Wasserleiche beiwohnen durfte. Anders als in Nick Caves Song "Where the Wild Roses Grow" mit ihrer selbst Kylie Minogue ist daran nichts schön. Aber wann sind sich auflösende, bis zur Unkenntlichkeit aufgedunsene Leichen schon schön...


Aufmerksame LeserInnen werden bemerkt haben, dass ich mich in einer anderen Location zum Shooten befand (haha, das klingt so professionell). Die Zeitschrift, die ich während des Bildermachens auf meinen Knien balancierte, war die Baumeister von Oktober. Ein sehr schönes Architektur-Magazin, das einen modernistischen Stil pflegt. Mir gefällt die klare, aufgeräumte Aufmachung im Stil der Kunstepoche der Moderne.


Noch bin ich unsicher, ob ich diese Technik je wiederholen werde - das Trocknen und die handgemalten Blättchen dauern unendlich lang. Vielleicht würde ich beim nächste Mal auf die aufgeklebten Blümchen verzichten, auch wenn ich den 3D-Effekt ganz gerne mag. Und vielleicht würde ich nächstes Mal einfach an einen Tag am Strand statt an einen herbstlichen Tümpel denken.

Ein offener Brief an Steven Yeun

Lieber Steven Yeun.


Ich gucke deine Serie "The Walking Dead" nicht, weil ich nicht so die Serienguckerin bin. Zombies sind nun mal nicht mein Interessensgebiet. Aber ich gucke immer wieder Interviews, unter anderem mit dir. Dein Humor und deine souveräne Art, mit deinem Asiatisch-Sein umzugehen, haben mein Herz für dich erwärmt.

Du bist lustig und verdammt nerdig, wenn du über deinen Drei-Wochen-Bart und Comics und deinen Erfolg bei Frauen sprichst:



Youtube-Gold - das ist das richtige Wort für deine Interviews. Dein Twitter-Profilbild ist großartig und ich kann so genau nachvollziehen, wie Halloween im Drachenkostüm lief :(



Du bist echt cool drauf und ich hoffe entgegen aller meiner Kenntnisse über die mangelhafte Repräsentation von AsiatInnen in Hollywood, dass du in Zukunft noch viele weitere Rollen spielen und dazu unterhaltsame Interviews geben wirst.

Viele Grüße,
deine Naekubi




Vorbilder, Feindbilder und das Ich

Seit dieser Woche ist mein Blog Teil des Projekts BlogF - einem neuen Bloggerinnennetzwerk von Frauen für Frauen. Neben der Vernetzung der weiblichen Blogosphäre wird es in Zukunft auch eigene Beiträge dort geben. Die Macherinnen Sylvia und Marlies sind übrigens immer dankbar für weitere Bloggerinnen, die sich dort anschließen möchten.


In der Kurzbeschreibung der Bloggerinnen fragten Sylvia und Marlies unter anderem nach weiblichen Vorbildern. Die wenigsten nannten konkrete Personen. Auch ich nicht. Warum eigentlich nicht?

Vorbilder

Sylvia von BlogF hat sich darüber Gedanken gemacht und festgehalten, welche Bedeutung weibliche Vorbilder für Frauen haben (sollten) - sie verkörpern ganz konkret die Möglichkeiten und das Potenzial, das vielleicht darauf wartet, realisiert zu werden. Wir wissen natürlich, dass wir Pilotinnen, Ingenieurinnen oder Managerinnen werden könnten, aber eine real existierende Pilotin, Ingenieurin oder Managerin kennenzulernen, entfaltet eine ganz andere Zugkraft.

Vorbilder sind wichtig für die menschliche Entwicklung - wir lernen, indem wir andere nachahmen. Ganz zu Beginn sind das Mutter und/oder Vater oder andere Bezugspersonen. Von ihnen lernen wir sprechen, essen, gehen, also alles, was zum Mensch-Sein dazugehört. In diesem Fall sind Vorbilder vor allem etwas, das man kopiert. Sobald wir etwas älter werden, orientieren wir uns verstärkt nach außen - Medien, die Menschen in unserem Lebensumfeld spielen eine stärkere Rolle. Manchmal suchen wir auch in Büchern, Filmen oder Musik nach Rollenbildern, denen wir nacheifern können.  

Doch nicht alle Frauen, die zum Vorbild taugen, weil sie sich behauptet haben oder ganz besondere Dinge schufen, funktionieren für mich persönlich als Vorbild. Ich verspüre durchaus Respekt und Anerkennung für Frauen wie Marie Curie (Wissenschaftlerin) oder Beyoncé (Sängerin und Unternehmerin), doch nie hatte ich den Drang, ihnen nachzueifern.

Vorbilder inspirieren, also beseelen uns erst dann, wenn sie in uns eine Saite zum Klingen bringen, die schon da war, derer wir uns aber vielleicht nicht bewusst waren. Wenn diese Vorbilder sozusagen zu spielen beginnen, bewirkt das eine Resonanz - unsere Saite schwingt mit (das funktioniert bei Instrumenten tatsächlich). Unsere Vorbilder können uns so helfen, uns selbst zu entdecken und besser zu verstehen.

Feindbilder

Ähnlich den Vorbildern bringen manchmal auch Feindbilder unsere innere Saite zum Schwingen - aber auf ganz andere Art und Weise. Sie nerven uns, gehen uns auf den Geist, wir meiden sie und lehnen sie und ihr Verhalten ab. Auch sie tragen dazu bei, dass wir herausfinden, wer wir sind oder wer wir (nicht) sein wollen: Früher dachte ich immer, dass solche Menschen einfach irgendwo falsch lagen, wo ich richtig lag - eine jugendliche Hybris. Inzwischen weiß ich, dass sie einfach anders sind. Ihre Lebensmelodie ist eine völlig andere als meine, ist aber genauso stimmig in sich. Mein Weg ist nicht ihr Weg, Punkt.

Manchmal entwickeln sich andere Menschen zu Feindbildern, weil sie etwas verkörpern, was wir an uns immer ablehnen (obwohl wir es unbewusst vielleicht leben wollen). Ein klassisches Beispiel wäre der republikanische evangelikale Senator, der nach vorne Homosexuelle verdammt und hintenrum sich Callboys ins Büro bestellt (pun intended). Es lohnt sich immer, genau hinzusehen, warum manche Menschen uns durch ihr bloßes Dasein auf die Palme bringen. Möglicherweise halten sie uns einen Spiegel vor, in dem wir uns selbst erkennen und das sehen, was wir eigentlich nie wissen wollten.

Das Ich

Ich habe die letzten zwei Wochen immer wieder überlegt, wer zumindest in der Vergangenheit mir als Vorbild von weiblicher Seite diente. Und siehe da: Ich wurde fündig.

In den äußerst bunten Neunzigern liebte ich die Nickelodeon-Serie Clarissa (englisches Original: Clarissa explains it all). Ich mochte die Protagonistin - sie war zum einen weiblich (nach wie vor sehr selten in Sitcoms), klug, frech und aufsässig und hatte einen ziemlich ausgefallenen Klamottenstil. Gerade ihre Aufsässigkeit imponierten mir damals mit meinen zwölf Jahren, weil ich selbst immer ziemlich brav war.

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In den nicht mehr ganz so bunten Nuller Jahren fand ich Amélie aus "Le fabuleux destin d'Amélie Poulain" sehr faszinierend. Ich mochte ihre verspielte Art, wie sie ihre Fantasie dazu einsetzte, dem grauen Alltag zu entfliehen. Wahrscheinlich mochte ich Amélie deshalb, weil sie dem prosaischen Leben einen Zauber abgewinnen konnte und sich selbst einen Schubs gab, um glücklich zu werden.

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Und heute? Ich habe keine richtigen Vorbilder mehr. Aber das finde ich ok. Vorbilder sind wie die Noten einer Melodie: Solange wir unerfahren sind, spielen wir sie einfach nach. Dann interpretieren wir sie und geben ihnen unsere Färbung. Irgendwann schließlich werfen wir die Noten weg und spielen unsere eigene Melodie. 

Dennoch halte ich es für wichtig, dass Frauen in den unterschiedlichsten Rollen sichtbar werden und so als Vorbild dienen. Um noch einmal die musikalische Metapher zu bemühen: Wir alle brauchen eine ausreichend große Auswahl an Melodien und Noten, um die für uns richtige zu finden. Je mehr wir kennen lernen, desto vielfältiger werden wir selbst.

Naekubis Nails - Edition 007: Herbst, Individualismus und Unterschichtenphänomene

Normalerweise fällt mir immer etwas Schlaues ein, mit dem ich meine Einträge zu meinen Nägeln verbrämen kann, aber gerade bin ich etwas müde. Der Herbst fordert seinen Tribut. Aber er regt auch zu Ideen für Nail Art an... Vielleicht fallen mir doch einige Zeilen ein.


In meinem schlauen Nagellackbüchlein, in das ich inspirierende Farbkombinationen eintrage, war ein Vierklang aus Naturtönen dabei - genau richtig für diese Jahreszeit. Beige, braun, schlammgrün, dschungelgrün sind Farben, die sich für mich rund und weich anfühlen.


Es wäre konsequent gewesen, auch runde Formen wie Kreise und Spiralen auf meine Nägel zu malen. Doch ich habe mich entschieden, diese Weichheit bewusst mit zackigen Dreiecken und einer eher puristischen Gestaltung zu brechen.


Ich sollte vielleicht mehr mit durchsichtigen Motiven arbeiten - die zurückhaltende Gestaltung von Daumen und kleinem Finger gefiel mir ausgesprochen gut.



Viele belächeln ja Nail Art als Unterschichtenphänomen, als stillos und im schlimmsten Falle tussig. Klassismus pur also - Trägerinnen von Nail Art werden sogleich diskreditiert und nicht für voll (oder gebildet) genommen. Aber ich sehe nichts Falsches daran, wenn man etwas an seinem Körper tragen möchte, das schön ist und Ausdruck einer Lebensfreude. Was die jeweilige Trägerin als schön empfindet, ist natürlich von Person zu Person verschieden.



Wir sind Individuen und ich finde es gut, wenn wir das auch offensiv zeigen können. Drückt ihr euer Selbst in irgendeiner Art nach außen hin aus? Kleidung, Frisur, Schminke, Körperschmuck?

Einen schönen Abend euch allen. :)

Linsanity - jetzt auch als Film

Als ich in der Mittelstufe war entdeckte meine Sportlehrerin, dass ich ein Talent fürs Basketballspielen hatte. Also empfahl sie mir, in die Basketballgruppe einzutreten und dort mich zu versuchen. Weil mir das Körbewerfen durchaus Spaß machte und das die bisher einzige Sportart war, bei der mir jemand überhaupt Talent bescheinigte, fing ich an Basketball zu spielen.
Ich war zunächst das einzige Mädchen, bis einige meiner Freundinnen eintraten. Wir durften/mussten mit den Jungs spielen, was eher kein Zuckerschlecken war. Ich hatte Spaß an Basketball, war aber nie so ehrgeizig, das besonders zu verfolgen.


 

Jeremy Lin hingegen hat sich beim Basketball reingehängt und es geschafft: Der Amerikaner mit taiwanesischen Wurzeln spielt derzeit bei den Houston Rockets in der NBA und ist ein Superstar. Der Weg dorthin war lang und alles andere als glatt: Er spielte in seiner Highschool-Zeit recht erfolgreich und war Kapitän seines Basketball-Teams. Danach jedoch erhielt er dennoch kein Sportstipendium an den Universitäten UCLA, Berkeley oder Stanford und war zu Beginn seiner Karriere eher unterbeschäftigt. Niemand wollte ihn haben.
BeobachterInnen und er selbst führen das auf Alltagsrassismus zurück - denn Asiaten spielen einfach kein Basketball, Punkt. Mit der Saison 2011/2012, wo er bei den New York Knicks spielte, begann "Linsanity" - eine immense Welle der Begeisterung für Lin. Durch sein erfolgreiches Spiel eroberte die Herzen nicht nur der asiatisch-stämmigen ZuschauerInnen im Sturm.


https://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/b/be/Linsanity-poster.jpg

Am letzten Freitag kam in den USA ein Dokumentarfilm über Jeremy Lin in die Kinos. Der Titel lautet natürlich "Linsanity" - er zeichnet die Entwicklung des Spielers in den letzten fünf Jahren auf, beginnt also lange vor seinem Aufstieg zum NBA-Star. Die MacherInnen, selbst alle asiatischstämmige AmerikanerInnen, konnten den Film über Kickstarter finanzieren und so fertigstellen. Auf dem Sundance Festival lief der Film bereits erfolgreich und war bei den Dokus einer der Publikumslieblinge.

Ohne den Film gesehen zu haben oder kleinreden zu wollen, ist es eine Erzählung vom Aufstieg eines Underdogs, der durch Durchhaltevermögen, Talent und harte Arbeit "es schafft". Das macht den Film zu einer sehr amerikanischen Geschichte. Nichtsdestotrotz: Sein Erfolg hat hohen Symbolwert für Bananen im Westen und AsiatInnen im Osten, die aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit mit bestimmten Stereotypen kämpfen, in den Medien marginalisiert und belächelt werden. Deshalb hoffe ich, dass ich den Film auch irgendwann sehen kann. Weitere Infos finden sich hier: Linsanity - the Movie.

...das deutsche Vaterland.

Es muss in einem jener Sommer gewesen sein, als ein wichtiges internationales Fußballturnier stattfand. Ich hatte mich von KommilitonInnen breitschlagen lassen und wohnte einer öffentlichen Übertragung eines Länderspiels auf Großleinwand bei. Ich erinnere mich nicht mehr genau an die Paarung - auf jeden Fall spielte Deutschland.

Es war ein recht warmer Tag und alle waren in vorfreudiger glücklicher, leicht bierseliger Stimmung. Die Deutschlandfahnen wehten, die Würstchen grillten und alles war erfüllt von Gesprächen und Lachen. Das Spiel begann, die Spieler liefen ein und stellten sich auf. Es folgte die Nationalhymne. Als die ersten feierlichen Töne von "Einigkeit und Recht und Freiheit" ertönten, kam ein kurzer Moment der Ratlosigkeit im Publikum. Spätestens bei "danach lasst uns alle streben" aber standen die meisten auf und sangen ein wenig zögerlich mit. Ich blieb sitzen und fühlte mich etwas unwohl. Die allgemeine Unsicherheit ob dieser patriotischen Demonstration war fast greifbar.

Heimatgefühle

Deutschland und Patriotismus oder, in abgemilderter Form, positive Heimatgefühle - ein heikles Thema. Ich möchte nicht auf der Vergangenheit herumreiten, aber die Verbrechen, an denen eine gesamte Gesellschaft beteiligt war - was soll man dazu sagen, wenn jede/r seine Pflicht tut in einem absolut kranken System?

Patriotismus stützt sich immer auch auf einen goldverbrämten Blick auf die Vergangenheit, auf den Stolz der Leistungen eines wie auch immer gestalteten Volkes - das geht schlecht, wenn die letzten "Leistungen" darin bestanden, möglichst effizient Juden/Jüdinnen, Homosexuelle, Dissidenten, Menschen mit Behinderung oder Roma umzubringen.

symptomatisch für Deutschland - Merkels "kein-Firlefanz"-Ansatz

Die Deutschen schrecken daher verständlicherweise davor zurück, stolz auf sich zu sein oder ein positives Gefühl ihrer Herkunft gegenüber zu haben. Das ist noch verständlicher, wenn der Papa oder der Opa bei der Waffen-SS war und auf dem Speicher noch ein Exemplar von "Mein Kampf" liegt. Alles allzu Deutsche abzulehnen wird dann zur Frage der moralischen Integrität. Für seine Herkunft als Deutsche/r hatte man sich zu schämen, Punkt.

Stolz auf die eigene Herkunft

Ich wuchs also mit dem Gedanken im Hinterkopf auf, dass man nicht stolz auf seine Herkunft sein kann. Ich habe mich also geschämt wegen meiner Herkunft, wie die Deutschen auch. Ich konnte so auch nie von mir sagen, dass ich Deutsche bin, denn: Wenn die Deutschen schon nicht deutsch sein wollten, wie konnte ich mir dieses Recht herausnehmen? Vor allem, da ich anders aussah, einen fremden Namen trug? Deutsch-Sein, so signalisierte man mir, ist keine Freude, sondern eine Bürde.

Die eigene Herkunft positiv sehen scheint für viele Deutsche ein Tabu. Diese Perspektive hinderte mich aber auch daran, Stolz auf meine vietnamesischen Wurzeln zu empfinden.Wenn die große Mehrheit das Thema so tabuisiert, wie können Menschen mit Migrationshintergrund in ihrer Gegenwart stolz auf ihre Wurzeln sein? Jede Demonstration von kulturellen Eigenheiten wird dann schnell zum Affront nach dem Motto: "Warum soll diese Minderheit auf ihre Herkunft feiern (Wenn wir als Mehrheit das nicht mal dürfen)? Können die sich nicht integrieren und ihre Herkunft verdrängen, so wie wir auch?"

Naekubi - fröhlich Fahne schwenkend?

Dem Fußball ist möglicherweise zu verdanken, dass sich das Verhältnis Deutschlands zu seiner Flagge und seiner nationalen Identität allmählich normalisiert; positive Heimatgefühle brauchen nicht mit der Vernichtung Herabsetzung anderer Nationen einhergehen. Zumindest würde ich es allen wünschen, dass wir alle unsere Wurzeln mit etwas mehr Wohlwollen betrachten können. Und dann können wir uns eine Ebene weiterbewegen und zu echten WeltbürgerInnen werden.

Dennoch wird es wohl niemals passieren, dass man mich mit einer Deutschlandfahne sieht, weil - nun ja...


Weil ich in der Hinsicht einfach sehr deutsch bin.