Rösler und das TAZ-Interview. Spekulationen über Motive
In ihrem Blog schreibt die TAZ, dass sie versucht haben, mit Philipp Rösler von der FDP ein Interview zu führen. In einer Serie befragt die Zeitung verschiedene Spitzenpolitiker zu bestimmten Themen - bei Rösler war das Thema "Hass". Ausgerechnet.
Natürlich ist es für die JournalistInnen mehr als ärgerlich, dass in einer Interview-Serie einer der Interviewten ausschert und seine Zitate nicht freigibt. Aber es verwundert mich auch nicht. Da Herr Rösler und ich einen ähnlichen ethnischen Hintergrund haben (wir beide haben vietnamesische Wurzeln, aber das ist auch schon alles), kann ich einige Mutmaßungen anstellen, warum das Interview für die TAZ nicht so lief wie geplant. Es handelt sich um Spekulationen meinerseits, natürlich. Aber vielleicht können sie doch für den/die eine/n oder andere/n erhellend sein.Hass. Ausgerechnet.
Ich bin mir sicher, dass Herr Rösler mit Hass oder auch nur Argwohn gegen ihn in seiner Kindheit und Jugendzeit in der niedersächsischen Einöde bestens vertraut war. Das wird in der FDP so weitergegangen sein. Noch stärker als in der freien Wirtschaft heißt es in der Politik: Bück dich hoch! Ich möchte mir nicht ausmalen, welche rassistischen, verletzenden Beleidigungen und Aussagen Rösler sich von "Förderern"anhören musste, bis er dort war, wo er heute ist. Denn wer würde es wagen, einen Silberrücken in der eigenen Partei damit anzugreifen, dass er ein Rassist ist, wenn sie die Macht haben, einen nach ganz oben zu bringen? Rösler hat wahrscheinlich viel geschluckt, verdrängt und weitergemacht.Verdrängungstaktik.
Durch die Adoption von einem deutschen Ehepaar wurde Rösler deutsch erzogen und sozialisiert. Doch sein Äußeres zeigt, dass da noch etwas anderes ist. Eine verlorene Heimat - vielleicht. Während ich noch Kontakt zu meinen Wurzeln durch Familie, Sprache und Essgewohnheiten habe, klafft bei Rösler eine biographische bzw. genealogische Lücke. Und was macht man mit Lücken? Entweder verdrängt man sie, geht auf Distanz oder gibt sich betont sachlich.Dieses Schaffen von Distanz würde auch erklären, warum er erst spät und nur auf Drängen seiner Frau mit über dreißig Jahren sein Geburtsland besucht hat. Die Frage der Journos, ob er sich für sein Heimatland nicht interessiere, weil er erst so spät hingereist ist, wäre für mich ein Grund gewesen, das Interview sofort ohne Kommentar abzubrechen. Ich vermute, dass Herr Rösler eher ein angepasster Typ war und ist, gleichzeitig aufgrund seines Äußeren irgendwo immer als fremd wahrgenommen wurde. Um in dieser Umgebung bestehen zu können, musste er weißer werden als die Weißen, um einigermaßen akzeptiert zu sein. Er musste vermutlich rein aus Gründen psychischer Stabilität die eigene Herkunft verdrängen. Dass die Interviewer ihm genau daraus einen Strick drehen wollen, ist bestenfalls gedankenlos, schlimmstenfalls perfide.
Nicht-Betroffene klären Betroffene auf. Toll.
Man kann Herrn Rösler vieles vorwerfen, was politische Sachfragen anbelangt. Aber dass ihm von Nicht-Betroffenen vorgehalten wird, wie souverän oder unsouverän er mit Hass gegen seine Person oder mit seiner Lebensgeschichte umzugehen habe, ist an paternalistischer Denke kaum zu überbieten. Es ist auch sein gutes Recht, private Fragen zu seiner Person abzulehnen oder sich nicht mit seiner Herkunft und mit Rassismus gegen ihn zu beschäftigen. Natürlich ist das nicht ideal, aber wer ist schon perfekt und hundertprozentig mit sich im Reinen? Der kann ja, biblisch gesprochen, den ersten Stein werfen.Rassismus und Herkunft sind einfach keine Themen, worüber sich reden lässt wie über das Wetter oder das letzte Mittagessen, was Nicht-Betroffene anscheinend nicht nachvollziehen können. Es betrifft den Kern einer Person und löst Wut aus, Machtlosigkeit, Trauer und vieles andere. Und irgendwann vielleicht auch nur noch Achselzucken und Gleichmut.
Es ist auch nicht so, dass Herr Rösler das Thema Vietnam völlig ausblendet, wie ein Interview auf Spiegel Online zeigt. Er hat sich einfach nur dazu entschieden, seine Herkunft nicht an die große Glocke zu hängen - weder vor sich selbst noch vor anderen. Die InterviewerInnen von der TAZ haben versucht, ihn mit Fragen zu seiner Herkunft zu diskreditieren, ihn ins Messer laufen zu lassen. Das halte ich für menschlich extrem schwach.
Man könnte sicherlich auch mit Rösler über Rassismus in Deutschland sprechen, aber dann müsste man es ihm überlassen, wieviel Persönliches er reinbringen möchte. So wie es die taz gemacht hat, ist es ausgrenzend, weil er im Wesentlichen auf sein nicht-"biodeutsches" Aussehen reduziert wird. Noch besser wäre es, man würde mit ihm über Politik sprechen, da könnte man genug kritische Fragen stellen. Über Rassismus kann man dann z. B. mit Brüderle oder Jörg-Uwe Hahn sprechen.
AntwortenLöschenDas ist ein sehr guter Vorschlag, das sollte man der TAZ mal sagen!
LöschenIch fand das Interview einfach unerträglich. Ich hätte nichts dagegen gehabt, ihn mit politischen Fragen in die Ecke zu treiben, aber so penetrant auf seiner Andersheit herumzureiten - nein.
Bin über noch einen Kommentar dazu gestolpert: http://www.exberliner.com/blogs/the-blog/amok-mama-true-discrimination-in-this-country/
LöschenDer Artikel formuliert einige meiner Punkte in etwas kräftigerer Sprache, aber die Kritik am Interview ist ähnlich - und vor allem angebracht. Vielen Dank für's Mitteilen! :)
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