Der gute Wille. Der Weihnachtsfeier zweiter Teil.

Da saß ich nun, in dieser Bar mit seltsamer Musik und versuchte meinen Ärger mit Obstler auf Kosten der Agentur zu ertränken. Das klappte eher mäßig, weil es Birnen-Obstler gab. Ich hasse Birnen.

Als ich so dasaß und mich eher schlecht als recht amüsierte, kam mein Teamkollege vorbei. Er war erst später zu uns gestoßen aufgrund eines familiären Termins (lies: Weihnachtsessen bei einer nicht besonders wohlgelittenen Schwester). Wir unterhielten uns über Dinge, für die während der Arbeit manchmal keine Zeit ist - zum Beispiel die Familie:

"Ich habe so den Eindruck, dass bei asiatischen Familien der Zusammenhalt irgendwie viel stärker ist als zum Beispiel hier."

Nun, das konnte ich bestätigen - das hat aber nicht nur positive Seiten. Manchmal scheint mir, als ob auch die soziale Kontrolle viel stärker ist und dass man sich immer beobachtet fühlen muss. Zumindest war das mein Eindruck in der vietnamesischen Community. Er fragte mich ein wenig über meine Familienverhältnisse aus: Wie es zum Beispiel ist, in einer WG mit den Brüdern zu leben (etwas, das viele viele meiner Bekannten und Freunde niemals tun könnten - da gäbe es Tote), wie das mit Verwandtschaft ist und vieles mehr.

Ich wurde innerlich ein bisschen lockerer. Die Ablenkung von der hässlichen Begebenheit tat mir gut und Leuten Sachen erklären kommt meinem Klugscheißer-Naturell entgegen. Er sprach mich auf meinen Blog an:

"Ich habe jetzt mal deinen Blog gelesen und finde ihn - bis auf die Nagellacksachen - echt gut. Jetzt verstehe ich auch endlich, was es mit den Bananen auf sich hat."

In meiner Schublade im Büro liegt nämlich ein kleiner Bananenstempel, den ich mir in Japan gekauft habe. Damit verziere ich gerne Geburtstags- und Glückwunschkarten meiner BürokollegInnen. Bananen pflastern meinen Weg...

"Klar sind Bananen ein lustiges Obst (meine Erklärung an ihn für den Stempel, Anm. naekubi), aber dass da noch mehr dahinter steckt, habe ich erst durch deinen Blog erfahren. Dass das ein Symbol ist für einen ganz bestimmten Konflikt."

Das belustigte mich ein wenig. Manchmal erfährt man mehr über mich im Blog als im persönlichen Gespräch...

Inzwischen war ich auf Wasser umgestiegen. Während ich immer wieder am Glas nippte, um den Birnengeschmack im Mund wegzubekommen, fuhr der Teamkollege fort:

"Also für mich warst du immer Deutsche. Nur manchmal merkt man, dass da noch etwas anderes in dir steckt, was man nicht sofort sieht."

Meine Verblüffung war groß. Mir selbst fällt es schwer, mich als Deutsche zu begreifen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass meine Herkunft und mein "abweichendes" Aussehen immer im Vordergrund stehen. Es tat gut, bestätigt zu bekommen, dass dem durchaus nicht so war. Ob es am Einfluss des Obstlers oder an der Atmosphäre lag - ich erzählte dem Teamkollegen von meinem Tiefpunkt des Abends. Er konnte meine Wut nachvollziehen und fand es angebracht, dass ich mich dagegen gewehrt habe. Wie als Entschuldigung fügte er hinzu:

"Ich hoffe, dass dich meine Fragen und das Thema nicht nerven und dass das für dich ok ist. Mich interessieren einfach andere Kulturen und fremde Lebensweisen."

Plötzlich merkte er, dass seine Aussage nicht ganz richtig war und beeilte sich hinzuzufügen: "Wobei du ja auch nicht fremd bist, nur ein bisschen anders mit einer weiteren Sichtweise. Hier in Deutschland haben wir einfach nicht so viel Erfahrung im Umgang damit (er meint Rassen/Rassismus) wie zum Beispiel in den USA. Von daher bin ich da manchmal vielleicht etwas unbeholfen."

...

Der gute Wille hat ja heutzutage keinen guten Ruf, nach dem Motto: "Er bemühte sich redlich [aber vergeblich]" Doch bei meinem Teamkollegen hatte ich das Gefühl, dass er wirklich versucht, seinen Horizont zu erweitern, sich zu sensibilisieren. Dabei kann ich ihm gerne auf die Sprünge helfen oder auf die Füße treten, je nach Bedarf.

Die Obstler und den gesamten Abend hatte ich inzwischen verdaut. Ich fühlte mich beschwingt, nahezu vergnügt. Mein Kollege verabschiedete sich und steuerte einige andere Kollegen an, als vom Kellner die Nachspeise kam: ein mit flüssiger Schokolade gefülltes Törtchen. Großartig. Und das Beste: es gab Nachschlag.

Die Banalität von Rassismus. Der Weihnachtsfeier erster Teil.

Rassismus ist (gottseidank) selten in Form von Mord und Totschlag anzutreffen, wiewohl er auch in diesem Land in dieser Form leider immer noch vorkommt. Nein, Rassismus ist manchmal eine sehr banale Sache: Er passiert einfach, oftmals einfach so, weil jemand nicht nachgedacht hat. Er bedroht keine Menschenleben, aber er offenbart eine äußerst limitierte Weltsicht und/oder mangelnde Empathie. So geschieht Rassismus oftmals unbemerkt von der Öffentlichkeit und würde nie entdeckt werden, wenn sich nicht doch einmal jemand beschweren würde.


Letzte Woche war unsere Betriebsweihnachtsfeier - sie war betont lässig gehalten und . Wir trafen uns zunächst zur Einstimmung am Weihnachtsmarkt am Sendlinger Tor zum Glühwein und wurden in verschiedene Spielgruppen eingeteilt. Der Plan war dann, mittels einer Art Rebusrätsel den Namen der Location herauszufinden, an dem das Ganze steigen sollte. Das ging so:
  • altes Auto ohne zweites Wort
  • Raubtier ohne Kapital
  • zweiter Name des kleinen Bären
  • "der" auf chinesisch
Interessant ist hier vor allem Punkt Nr. 4: Nachdem wir uns das Hirn zermartert hatten, was denn Nr. 4 sein sollte, kriegten wir einen Tipp, der da lautete: "Welchen Buchstaben können Chinesen nicht aussprechen?"

Ich facepalme ob dieses offensichtlichen, saublöden Klischees. Es ist zwar wahr, dass es im Mandarin keinen Laut gibt, der dem deutschen "r" entspricht, im Kantonesischen sieht es aber wieder anders aus. Aber gut, der Glühwein half mir, darüber hinwegzusehen.

Die nächste Aufgabe war, verschiedene Fotos von der Gruppe mit PassantInnen und/oder Gegenständen zu schießen. Eines der Bilder sollte neben Hund, Regenschirm und älterer Dame auch "einen Asiaten" enthalten.

Als ich das auf dem Zettel las, seufzte ich schon innerlich. Klar, meine Gruppe hatte den Vorteil dank meiner Wenigkeit auf ihrer Seite, gleichzeitig fürchtete ich mich davor, in welcher Art und Weise andere Gruppen mit dieser Aufgabe umgehen würden. Ich versuchte mich selbst zu beruhigen. Konnte ja so schlimm nicht werden.

Unsere Gruppe machte also die Fotos, fand die Location und gönnte sich erst einmal Oliven, Weißbrot und Sekt. Irgendwann hatten alle Gruppen ihre Aufgaben gelöst und das Lokal gefunden ("Rostiger Pudel", anyone?). Auf einem Fernseher wurden die Fotos gezeigt. Ich lachte über einige gelungene Bilder und Ideen. Bis auf ein Bild, bei dem es mir fast die Schuhe auszog und mir das Lachen aus dem Gesicht fiel.

Was war passiert? Jemand aus einer Gruppe posierte als Asiate, indem er

...

Schlitzaugen zog.

...

Manchmal reichen zwei Hände zum Facepalmen nicht.

Ich kann mich nicht erinnern, wann meine Herkunft das letzte Mal so lächerlich gemacht wurde. Vermutlich irgendwann in der Schulzeit in der fränkischen Provinz. Diese Fratze auf dem Foto hinterließ in mir nichts anderes als ein Gefühl der Beklemmung und der Wut. Ein paar meiner KollegInnen, die mit mir am Tisch saßen, lachten zunächst, verstummten aber, als sie meine eingefrorene Miene sahen. "Ich finde das verdammt beleidigend und rassistisch," konnte ich mühsam hervorpressen, zu tief saß bei mir der Schock.

Die Bilderschau war bald beendet, doch der Flatscreen war auf Diashow eingestellt. Wollte ich das stillschweigend dulden oder sollte ich etwas unternehmen, den ganzen Abend auf die Fratze des Rassismus starren? Nein! Mein Stolz und meine Würde nicht nur als Asiatin, sondern als Mensch schienen plötzlich auf dem Spiel zu stehen. Also ging ich zum Chef, sprach ihn auf das Bild an und erklärte ihm, dass ich es einfach nur extrem beleidigend fand. Er reagierte sofort und machte die Diashow aus. Nun loderte nur noch ein Kaminfeuer auf dem Bildschirm.

Der Kollege meinte es sicherlich nicht böse. Die wenigsten AlltagsrassistInnen meinen es böse. Doch Alltagsrassismus ist fies, weil er banal ist: Er kommt nicht in Springerstiefeln und mit Hakenkreuzaufnähern daher und lässt zugleich jegliche Selbsterkenntnis missen. Ein echter Nazi weiß von sich wenigstens, dass er Rassist ist.


Der Abend war für mich verdorben...


Fortsetzung folgt.


Arbeitsalltag

Die Menschen, mit denen ich den Großteil meines Tages verbringe, sind meine Teamkollegen in der PR-Agentur - weder meine Geschwister noch meine Freunde sehe ich so oft wie meine ArbeitskollegInnen. Zwar weiß ich oft nicht einmal, welche Hobbys sie haben oder welches Essen sie absolut verabscheuen, das macht aber nichts. Ich empfinde es schon als Luxus, dass ich die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite, gut leiden kann. Denn acht, neun Stunden pro Tag können lang werden.

In einem guten Team hat man das Gefühl, zusammen gegen dieselben Widerstände zu kämpfen, den einen oder anderen schlecht gelaunten Drachen zu erlegen und zusammen das Ziel zu erreichen. Man muss nicht die besten Freunde werden, aber man lernt sich gegenseitig doch ganz gut kennen.
Irgendwann lacht man über die selben Dinge (lustige Namen und schrecklicher Marketingsprech etwa), ärgert sich über ähnliche Blödsinnigkeiten (nicht erreichbare Ansprechpartner und Telefontermine freitags um fünf) und freut sich über die selben Ziele (gute Artikel in der WirtschaftsWoche). Ja, eine angenehme Atmosphäre in einem Team ist Goldes wert.

Mein Team wird jetzt allerdings erst einmal dezimiert sein - meine Kollegin und Teamchefin D. muss einen anderen Drachen erledigen gehen, der ihre Gesundheit bedroht.

Bis dahin bleibt mir nicht mehr viel zu sagen außer: Ohren steif halten und Zähne zusammenbeißen! Und: Alles Gute.