Oktoberfestzeit heißt inzwischen Dirndl- und Lederhosenzeit. Und wenn sich schon mein kleiner Bruder in abgeranzte Lederhosen und Karohemd wirft (asiatischer dürrer Lulatsch ohne stramme Wadeln - aber immerhin voll assimiliert), kann ich zumindest darüber bloggen.
Anlässlich des Oktoberfests also, das München wieder einmal
heimsucht beehrt, gucken wir uns Dirndl und Ao Dai genauer an. Nun also: Naekubis ultimativer Trachtenvergleich.
Das Dirndl war besonders in meiner Jugend in Franken verfemt, es wäre lächerlich gewesen, in diesem Aufzug auf ein Volksfest oder die Kirchweih, geschweige denn auf die Straße zu gehen. Das war eine Sache der Oberbayern und des Trachtenvereins. Inzwischen ist es auf Bierfesten aller Art fast schon Standard. Ich habe mal eins anprobiert (eine seltsame Erfahrung), besitze selbst aber keins.
Ao Dai gilt als DAS typische Gewand Vietnams schlechthin, obwohl sich seine Verbreitung erst im 20. Jahrhundert wirklich durchsetzen konnte. Wenn ihr jemals die Chance habt, ein großes Treffen von Vietnamesen zu sehen, werdet ihr sicherlich sehr viele Frauen in Ao Dai bemerken. Ich selbst besitze ein halbes Dutzend Ao Dai. Wer mehr über Geschichte und Machart erfahren will, dem empfehle ich den Eintrag auf
Wikipedia.
Beiden Outfits ist gemein, dass sie als traditionell angesehen werden und die Kultur und Schönheit des jeweiligen Landes repräsentieren wollen. Aber wir machen aus diesem Blog-Eintrag jetzt kein ethnologisches Seminar, sondern betrachten das Ganze unter modischem und praktischem Aspekt.
Nur als Warnung: Ich bin KEIN Modeblogger. Das ist möglicherweise ein Manko, aber mich werdet ihr nicht mit X-Beinen vor einer mit Papier bezogenen Stellwand sehen und leicht melancholisch-gelangweilt in die Kamera blinzeln sehen. Vor allem nicht in Dirndl oder Ao Dai...
Schnitt
Sehr unterschiedlich. Ein Dirndl zeigt eine ganze andere Körpersilhouette als ein Ao Dai. Beide sind in ihrer Art sehr figurbetonend, setzen die Schwerpunkte aber anders. Beim Dirndl ist ganz klar das Dekollete wichtig, aber auch die Taille wird betont durch das Mieder und die Schürze. Das Untenrum der Trägerin ist gerade bei der langen Form des Dirndls unter sehr viel Stoff verhüllt.
Bei Ao Dai ist der ganze Körper verdeckt und es ist klassischerweise hoch geschlossen durch den charakteristischen Stehkragen. An sich also sehr züchtig. Dennoch braucht es nur wenig Fantasie, sich das Untendrunter vorzustellen, da Ao Dai normalerweise knalleng sitzen. Zu diesem Punkt komme ich noch.
Farbe
Da gibt es bei beiden Trachten fast keine Grenzen. Dennoch habe ich festgestellt, dass Ao Dai in richtig bunten Farben eher selten vorkommen. Nix Color-Blocking, stattdessen herrschen eher Pastelltöne vor. Beim Dirndl kann man inzwischen sogar Neonfarben verwenden, auch wenn das eher was für die After-Wiesn-Party in der Nobeldisco ist. Dieses Jahr sah ich doch recht häufig dunkle wenig gemusterte Dirndl, was mir persönlich ganz gut gefallen hat.
Tragekomfort
Eine Kollegin von mir auf der Arbeit kam letztens im Dirndl, was ich positiv kommentierte, denn es war ein sehr schönes Stück. Sie fand Dirndl auch toll, weil "man damit gut aussieht und es bequem ist". Ja, mit Dirndl kann man sich sogar auf den Boden setzen, da das Rockteil so weit ist, dass man sich nicht entblößt.
Da geht der Punkt eindeutig an das Dirndl, denn Ao Dai sind sch***unbequem. Durch den hochgeschlossenen und gleichzeitig knapp bemessenen Schnitt fühle ich mich sehr eingeschnürt. Ich wage in dem Teil kaum zu atmen, da ich immer Angst habe, dass einer der vielen Druckknöpfe aufplatzt oder dass eines der Häkchen sich löst. Im Sommer finde ich den hochgeschlossenen Look zu warm, im Winter ist Ao Dai zu kalt, da ein recht dünner Stoff verwendet wird. Es wurde eben in einer eher tropischen Region entworfen.
Harmonie zwischen Trägerin und Gewand
Auch da gewinnt für mich das Dirndl. Es ist schwer, in einem Dirndl absolut sch**** auszusehen, vielmehr macht es jede Frau schöner. Kleine Brüste werden gepusht, große in Szene gebracht (wobei man auch hier aufpassen sollte - Fleischwülste, die aus dem Ausschnitt quellen, sind weniger schön). Es bekommt eine Taille, wer keine hat, und allzu breite Hüften werden gekonnt kaschiert. Egal ob dick oder dünn: Das Dirndl schmeichelt der Figur.
Anders Ao Dai. Es ist für schmale kleine Menschen geschnitten und sieht an diesen auch am besten aus. Es ist eben für echte Vietnamesen. Denn das Problem an Ao Dai ist, dass es extrem aufträgt. Das liegt nicht nur am Schnitt, sondern auch an der Wahl der Materialien. In Satin, Seide und glänzendem Polyester in Pastell sieht man eben schnell wie eine Presswurst aus, wenn man nicht unter 1,60m ist und mehr als 45kg wiegt. Nichts für mich also. Nicht dass ich dick bin - ich habe ein für deutsche Verhältnisse ganz normales Gewicht. Aber für eine Vietnamesin bin ich doch eher groß, schwer und kurvig. Definitiv zu kurvig, um Ao Dai tragen zu wollen/können.
Persönliches Fazit
Das Dirndl ist für mich auf jeden Fall das demokratischere Kleidungsstück, weil es jede Frau kleidet, praktisch und bequem ist.
Ao Dai sind auch sehr schön, mir gefallen die langen Schleppen. Ao Dai sind elegant und auf die asiatische Art sehr sophisticated, aber selber tragen? Eher nicht. Ich bin da zwiegespalten: Es gehört zu meinen Wurzeln, ja, aber was bringt das, wenn man sich darin einfach unwohl fühlt? Letztlich muss man sich von Ansprüchen der Kultur emanzipieren und das tragen, was man selbst als passend für die eigene Persönlichkeit und Figürlichkeit hält. Oder man muss abnehmen.
Besitzt jemand von euch fleißigen Leserinnen ein Dirndl oder Ao Dai? Tragt ihr das?
Bildquellen:
http://www.whatwedoissecret.org/madebyblog/2007/06/ao-dai/
http://bilder.trachten-dirndl-shop.de/A/Afilinet/Dirndl_Dirndel_Zissi_forest_96cm_v_500.jpg