Filmwoche: Der Eastern und ich

Der erste Artikel zur Filmwoche... Enjoy!

Wenn man als Vietnamesischstämmige Mitte/Ende der Achtziger groß wurde, hat man vor allem eines gemacht: fernsehen. Das haben alle anderen auch gemacht, schließlich war das Privatfernsehen etwas ganz Neues und bescherte uns Serien wie Saber Rider, He-Man oder auch die Bill Cosby Show.
Aber was tat man, wenn man im vietnamesisch-deutschen Haushalt asiatische Gesichter sehen wollte? Eine Identifikationsfigur haben wollte? Im deutschen Fernsehen gab es dazu nur wenig Gelegenheit. Eigentlich nur eine, nämlich Eastern im Spätprogramm.


Wikipedia erklärt den Begriff "Eastern" folgendermaßen:
Der Begriff Eastern [iːstərn] (von eng.: eastern ‚östlich‘; rhetorische Analogie zum Filmgenre des Western: western ‚westlich‘) beschreibt ein Filmgenre des kommerziellen Unterhaltungskinos, in dem die Stilmerkmale des US-amerikanischen Genrekinos in asiatischen Filmen verarbeitet werden. Stilprägend sind dabei Elemente des US-amerikanischen Westerns. Teilweise wird Eastern auch synonym für das Genre des Martial-Arts-Films verwendet [...].
Also Martial-Arts-Filme. Damals liefen hauptsächlich Jackie-Chan-Streifen aus den späten Siebzigern/frühen Achtzigern, die mit viel Kungfu und Slapstick chaplin'scher Art zu unterhalten wussten. (Charlie Chaplin soll auch ein großes Vorbild Chans sein, was man durchaus an seiner Art von Humor im Film ablesen kann.) Drunken Master, die Police Story-Serie sind weitere Klassiker, die ich wohl unter Einfluss meines Vater und meines älteren Bruder als Kind ansah.

Da die Filme eher zu später Stunde im Fernsehen liefen, zeichnete mein Vater sie mit dem Videorekorder auf, sodass wir uns am Wochenende die Filme ansehen konnten. Manche werden nun meinen, dass man Sechsjährigen keine Martial-Arts-Filme zeigen sollte, aber hey, da war Jackie Chan dabei! Kein Vietnamese zwar, aber immerhin ein Asiate! (Und außerdem waren "brutale" Szenen in der deutsch synchronisierten Fassung ohnehin herausgeschnitten, damit man FSK 12 geben konnte.)

Einer seiner in Deutschland bekannteren Filme aus dieser Ära ist der Film "Die Schlange im Schatten des Adlers" aus dem Jahr 1978. Der Plot ist eine Underdog-Geschichte gepaart mit Gut-gegen-Böse:

Rebellenführer und Teilzeitbettler Pei Ching Yeng

Chien Fu (Jackie Chan) ist als "Mädchen für alles" in der Kungfu-Schule des Meisters Hung Tai beschäftigt. Er wird von Lehrern und Schülern gleichermaßen schlecht behandelt und gerne zu Demonstrationszwecken vermöbelt. Chien Fu lebt mit seinem Kater "Tiger" im Hinterhof der Schule.

Eines Tages verirrt sich ein alter Mann in die Kungfu-Schule, mit dem sich Chien Fu anfreundet. Was der Junge nicht weiß: Der alte Mann ist ein von der kaiserlichen Regierung gesuchter Rebellenführer namens Pei Ching Yeng. Sein Widersacher Len Yün von der "Geheimpolizei der Adlerklaue" ist ihm auf den Fersen.

Pei Ching Yeng bekommt mit, wie Chien Fu behandelt wird, und ihm Kungfu in der sogenannten Schlangentechnik bei. Pei Ching Yeng zieht schließlich weiter, verspricht aber Chien Fu, bald zurückzukehren.

Das Leben wird für Chien Fu einfacher: Er kann sich nun gegen die Schikanen in der Kungfu-Schule zur Wehr setzen. Als eines Tages die Hung-Tai-Schule zu einem öffentlichen Kampf um die Ehre aufgefordert wird, ist er der Einzige, der sich bewähren kann. Len Yün beobachtet den öffentlichen Kampf und erkennt sofort die Schlangentechnik, die nur Pei Ching Yeng und seine Verbündeten anwenden.

Pei Ching Yeng vs. Len Yün

Er überzeugt den naiven Chien Fu davon, ein Kollege und Bekannter des alten Mannes zu sein, indem er mit ihm kämpft und ihn mit der Adlerklauentechnik schlägt. Der Junge glaubt ihm schließlich und erzählt, wann der Alte ungefähr wieder zurück sein müsste.
Als Pei Ching Yeng schließlich wiederkommt, führt Chien Fu den Widersacher Len Yün schnurstracks zu dessen Aufenthaltsort, doch der alte Mann kann gerade noch fliehen. Chien Fu erkennt seinen Fehler und läuft seinem Meister hinterher. Der ist bereits auf Len Yün gestoßen und liefert sich mit ihm einen Kampf, bei dem er jedoch unterlegen ist. Chien Fu eilt ihm zu Hilfe und besiegt Len Yün mit einer für Pei Ching Yeng unbekannten Technik namens Tigerpranke. Die hatte sich Chien Fu von seiner Katze abgeguckt...

Ich habe mir den Film kürzlich wieder angesehen und muss sagen, dass ich ihn immer noch mag. Klar, die Kameraführung ist schlecht, es wackelt wie blöde, und was sollen eigentlich immer diese komischen Zooms? Die Musik schwankt zwischem futuristischem Seventies-Sound und trashigem Symphonieorchester und wird eher willkürlich eingesetzt. Und von den Soundeffekten bei Tritten und Schlägen wollen wir gar nicht erst anfangen.

Chien Fu beim Üben der Schlangentechnik

Dennoch: Ich mag den etwas albernen Slapstick-Humor und die Kampfszenen sind auch nach heutigen Standards schön choreographiert. Und in den emotionaleren Szenen erkennt man auch, dass Jackie Chan nicht nur ein hervorragender Kampfkünstler ist, sondern auch das dramatische Fach beherrscht: Als Chien Fu etwa nach einer weiteren Tracht Prügel der Kungfu-Lehrer sich in den Hinterhof flüchtet, kann man Verzweiflung, Wut und Scham aus seinem Gesicht herauslesen. Ich fand das sehr überzeugend und bewegend, allerdings bin ich auch nah am Wasser gebaut. :)

Mir sind diese Filme auch deshalb wichtig, weil ich so als Kind erfuhr, dass es außerhalb meiner Familie noch Menschen gibt, die so aussehen wie ich. Und auch noch im Fernsehen, wow. Auch war Jackie Chan durch seinen besonderen Humor auch für Kinder unterhaltsam. Und, ich gebs zu: Martial Arts sind einfach saucool. Und wer beherrscht das besser als die Asiaten?*

Den Film kann man in deutscher Fassung in leicht verzerrtem Format in zehn Teilen auf Youtube sehen KLICK
oder aber in Originalfassung (möglicherweise aber auch auf Mandarin synchronisiert? Philipp?) mit englischen Untertiteln in ordentlicher Bildqualität und mit allen in der deutschen Fassung herausgeschnittenen Szenen (die sind echt nicht schlimm, glaubt mir, einem echten Schisser): KLICK



*Chuck Norris. Und dei Mudda.**



**Wow. Chuck Norris und deine Mutter in einem billigen Witz! Double-Strike!!

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3 Kommentar/e:

  1. Früher war mir gar nicht klar, dass es für für anders aussehende junge Menschen wichtig ist, zu erfahren, dass es außerhalb ihrer Familie auch Menschen gibt, die wie man selbst aussehen. Mir wurde das erst bewusst, als ich vor ein paar Jahren in einem Buch von Noa Sow gelesen habe, dass sie schwarzen Eltern empfiehlt, Zeitschriften wie African Women etc zu kaufen, in denen schwarze Menschen im Fokus stehen. Eben damit das Kind begreift, dass es nicht immer die Ausnahme ist. Ich finde es total interessant, dass das auch für dich ein Punkt war, Filme mit Jackie Chan anzusehen :)

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  2. Man kann noch so aufgeklärt und kosmopolit sein, gerade in jungen Jahren braucht man eine Identifikationsgrundlage: Jemand, der auf dieselbe Art anders ist wie man selbst und damit eine andere Art der Normalität erzeugt.

    Ich freue mich ja heute noch, wenn ich in den Medien oder in Zeitschriften asiatische Gesichter sehe. Das hat etwas beruhigendes und bestärkendes, ich fühl mich dann nicht so freakig :)

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  3. Mittlerweile ist mir das völlig klar. Gilt ja auch für Menschen prinzipiell, die "anders" aussehen. Im Kleinen gilt das auch für mich, aber nicht in Bezug aufs Aussehen, sondern was meine Interessen angeht. Da bin ich auch immer höchst beruhigt, wenn ich Gleichgesinnte treffe, weil ich mir dann auch nicht so freakig vorkomme ;)

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