Die liebe Brigitte.

Auf der Website der großen Frauenzeitschrift findet ihr eine Modestrecke Streetstyle Tokio. KLICK!


An sich habe ich nichts gegen Einblicke in andere Modewelten, aber diese Fotostrecke ist einfach zu einseitig und verzerrend. Sie versucht, das Klischee vom verrückten Japan zu bestätigen. Hinterfragt oder in die Tiefe gegangen wird natürlich nicht. 
"Sein nacktes Gesicht zu zeigen, gilt in Japan als unhöflich." - sagt Yoshiko Kamon, Leiterin der Schönheitsakademie des japanischen Kosmetikkonzerns Kanebo.
Das ist ein Zitat aus der Fotostrecke. Diese Aussage kann ich nach drei Wochen Aufenthalt dort nicht bestätigen, ebenso nicht meine Schwester, die ein ganzes Jahr dort drüben zugebracht hat. Es gibt sicherlich mehr Frauen, die Make-Up tragen und zurechtgemacht sind. Aber dass "sein nacktes Gesicht zeigen" unhöflich ist, scheint mir ein Märchen zu sein. Allenfalls für Tokio mag das stimmen. Eher ist es selbstverständlicher, sich zu schminken und modische Kleidung zu tragen. Das besteht ein feiner Unterschied zu "unhöflich".

Nun ist Tokio auch nicht Japan. Was die Geschäftsfrau in Ginza trägt, ficht die Hausfrau in Kyoto nicht an. Ich halte es für eine journalistische Selbstverständlichkeit, ein wenig zu differenzieren und nicht jeden Mist zu glauben, den einem eine PR-Dame von einem Kosmetikkonzern auftischt.


Über die präsentierte Mode kann man ja denken wie man will, aber selbst für Tokio ist diese Art von Oberbekleidung nicht repräsentativ. Sagen wir mal so: Diese Mode aus dem Stadtteil Harajuku (siehe auch oben) befindet sich am äußersten rechten Ende der Skala "bieder/sterbenslangweilig - verrückt/wahnsinnig".
Veränderungen am Äußeren, die nicht oder nur sehr schwer rückgängig gemacht werden können, sind verpönt - das gilt vor allem für Schönheitsoperationen.
Da muss ich zum Lachen mal kurz weg... Schönheits-OPs sind sicherlich nicht verpönt, es werden nur andere, subtilere Dinge operiert. Die Augenlider etwa. Mir ist es vielleicht ein- oder zweimal aufgefallen, aber man sieht immer wieder Leute mit Augenklappe auf der Straße. Meine Schwester klärte mich auf, dass diese Leute von einer Lidkorrektur kommen. Ist ja auch praktisch: Man macht nur ein Lid auf einmal, damit man nicht wie ein blindes Huhn zu Hause liegt.

Ich könnte noch ewig so weitermachen, aber ich denke, die Sache ist klar: Brigitte sucht sich die Beispiele heraus, die kursierende Klischees bestätigen. Sicher ist es etwas viel verlangt, ein riesiges Panorama der japanischen Kleidungskultur zu bekommen. Aber ein, zwei Bilder, auf denen die Leute nicht aussehen, als ob sie gerade aus dem Clown-Seminar oder dem nächsten Puppenladen kommen, wären schön gewesen.

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CONVERSATION

5 Kommentar/e:

  1. Es ist doch nichts neues, dass in den Medien viele andere Kulturen anders dargestellt werden!
    Ich setze mich garnicht mehr so sehr mit Stereotypen auseinander und versuche mich bei so etwas nicht so sehr aufzuregen!

    Und zu dem Thema Schönheitsops verpöhnt, wieso machen dass dann so viele japanische Prominente? :-?

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  2. Ja Tara. Ich weiß, ich verlange das Unmögliche ;)
    Ich setze mich gerne mit Stereotypen auseinander, bin aber auch inzwischen "desillusioniert" genug, dass mich das nicht mehr aufregt. Aber irgendjemand muss es ja aussprechen, oder? ;)

    Zu den japanischen Prominenten: Das ist bei den meisten asiatischen Stars so, dass die was machen lassen. Man redet nicht drüber, aber extrem verpönt ist das nicht. Meistens sehen sie danach sogar besser aus...

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  3. Es ist immer das Gleiche: Mädchen aus Tokio sind total crazy und verkaufen sich an ältere Herren, die Schuluniformen lieben. Deutsche essen Kraut, Würste und Knödel, Franzosen sind arrogant, Thailänderinnen sind devot, etc etc etc. Ich rege mich auch immer wieder darüber auf. Erst kürzlich habe ich im Loney Planet Istanbul richtig rassistische Sachen über das Essen der Türken gelesen. Dabei tun die ja immer so besonders weltoffen. Das sind für mich immer die schlimmsten. Passt irgendwie auch zur Brigitte..

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  4. Lass mich raten: Im Lonely Planet stand irgendwas mit viel Knoblauch?

    Es ist eben so, dass die Leute einfach nur das bestätigt haben wollen, was sie ohnehin schon wissen oder meinen zu wissen.

    Lonely Planet ist gewissermaßen auch nur Kolonialisierung, wohldosiert durch den Tropf des Backpackertums.

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  5. Ja genau meine meinung!
    Im Loney Planet ging es um die Unhygiene bei türkischen Imbissen, das finde ich schon stark. Titel: "Fancy some bacteria with that?" und dann werden unmögliche beispiele aufgeführt. Ich habe hier nur bestes Essen bei allen Imbissen gegessen, wie du dir denken kannst.

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