Manchmal bekomme ich in diesem Blog Leserfragen zugeschickt, wo mich LeserInnen nach meiner Meinung fragen. Ich weiß nicht, ob ich dafür immer so qualifiziert bin, aber ich versuche mein möglichstes.
Das Thema Identität, Schubladen und Attraktivität sind dabei Dauerbrenner. So auch bei S., die mir geschrieben und mir freundlicherweise erlaubt hat, ihre Fragen auf dem Blog zu beantworten.
Einmal geht es um die Frage: Wie umgehen mit
Neugier bzgl. deiner Herkuft und evtl. Vorurteilen?
Mein Vater ist Indonesier, meine Ma Deutsche, und ich bin im Rheinland geboren und aufgewachsen.(...) Ich fühle mich zu 100% als Deutsche, habe auch viele so typisch deutsche Eigenschaften ;-) Die Wahrnehmung anderer scheint aber immer die zu sein, dass sie in mir 100% die "Asiatin" sehen. Wenn ich Leuten erzähle, dass ich halb deutsch bin, kommt meistens: "Na das sieht man aber mal überhaupt nicht!" (meine Familie und ich sind da übrigens gänzlich anderer Meinung). Und oft gibts ein Ratespiel, aus welchem Land ich denn komme.
Mein Eindruck ist, dass man als Deutsch-Asiate hierzulande immer noch als völliger Exot wahrgenommen wird. Kaum jmd. kann sich vorstellen, dass man hier geboren ist, ich habe auch schon Komplimente bekommen, wie toll ich ja deutsch spreche...Natürlich kommts immer drauf an, wie jemand fragt und welche Haltung dabei rüberkommt.
(...) Und es nervt mich, dass ich ständig wildfremden Leuten meinen Stammbaum erklären muss, obwohl ich doch Deutsche bin. Ich frage mich, wieso es für andere so wichtig ist, wo man herkommt?
Oh boy. Erst heute wurde ich von einem unserer Dienstleister gefragt, woher ich denn komme, wie man meinen Namen korrekt ausspricht etc. Sehen wir der Tatsache ins Auge: Asiatische Menschen, die hier in Deutschland aufgewachsen sind, gibt es nach wie vor selten, wir sind die Einhörner unter den Deutschen mit Migrationshintergrund. Je seltener etwas auftritt, desto eher weckt genau das entweder Neugierde oder Ablehnung. Auf jeden Fall eine Reaktion.
Das andere ist die Mentalität der Deutschen: Erst deutsches Blut macht einen deutsch. Nach dieser Ansicht bin ich nicht deutsch. Und selbst wenn, wie man bei S. sieht: Das scheinbar Fremde am Äußeren überlagert manchmal jeden anderen Eindruck von einer Person. In dem Fall greift nach deutschem Denken die "Ein-Tropfen-Regel": Sobald man nur einen Tropfen anderes Blut hat, ist man nicht-deutsch. Selbst wenn man zu 50% genetisch deutsch ist! Es ist zum Haareraufen.
Die schwierigere Frage ist, wie man damit umgeht. Als ich sehr jung war, habe ich einfach die Fragen beantwortet - mal mehr, mal weniger lustlos. Als ich weniger jung war, habe ich mich darüber geärgert und aufgeregt. Jetzt beantworte ich die Fragen einfach, allerdings immer mit der Variante: "Ich bin hier geboren. Meine Eltern stammen aus Vietnam." Dabei belasse ich es meistens.
Inzwischen will ich mich nicht mehr darüber aufregen. Wenn einen etwas stört, kann man zwei Dinge tun: es ändern oder es akzeptieren. Wenn ich etwas nicht ändern kann, muss ich es so hinnehmen. Beschissen, ich weiß. Sich über etwas Unveränderbares aufregen halte ich aber für verschwendete Lebenszeit. Abgesehen davon - die Frage zeigt nur, dass der/die andere mit meinem "Anderssein" ein Problem hat. Muss ich seine/ihre Sichtweise annehmen? Nope. Was jemand von mir denkt, ist ganz und gar unabhängig von dem, was ich von mir denke. Aber es ist ein weiter Weg dahin, sich von der Meinung anderer zu befreien und emanzipiert zu sein.
S., gerade weil du einen indonesischen Vater und eine deutsche Mutter hast, ist es für dich noch schwieriger. Du bist doch beides, warum sieht das verdammtnochmal keiner?! Deine Eigenwahrnehmung deckt sich nicht mit der Fremdwahrnehmung, du wirst zum Außenseiter. Es hat etwas von Verstoßenwerden - und das tut weh und macht wütend. Diese Gefühle sind berechtigt und dürfen da sein. Aber: Es gibt auch andere Wege damit umzugehen.
Wenn ich mich über die Herkunftsfrage aufrege, sagt das etwas über mich aus. Anscheinend bin ich doch nicht so souverän asiatisch-deutsch wie ich immer tue. Sondern es ist ein wunder Punkt. Asiatischsein ist nichts, dessen man sich schämen müsste. Dennoch fühlen wir uns unwohl damit. Warum?
Ich muss auch zugeben, dass ich zeitlebens ein gewisses Problem mit meinen asiatischen Wurzeln hatte und habe. Ich glaube aber, dass das v.a. daran liegt, wie Asiaten von vielen Deutschen gesehen werden- die asiatische Frau ist lieb, unterwürfig, unsichtbar, will nur dem Mann/ der Familie dienen, ist kinderlieb, ungebildet und scheu. Klar ist das völliger Unsinn, aber ich glaube viele Leute denken wirklich so und ordnen mich dann diesem Schema zu, nur weil ich ein bisschen asiatische Gesichtszüge habe.
Insbesondere
bei der Partnersuche frage ich mich selbst immer wieder, ob es an
meinem Äußeren und dem, was andere damit für Charaktereigenschaften
assoziieren liegt. Ich habe auch schon immer den Eindruck, dass junge
deutsche Männer überhaupt nicht auf Asiatinnen stehen. Auf der Straße
drehen sich immer nur ganz alte fiese Männer nach mir um, von jungen
Männern werde ich gar nicht gesehen (unsichtbar?). Mich würde
interessieren, ob du ähnliche Erfahrungen gemacht hast, oder ob mir das
vielleicht nur so vorkommt?
Boom. Wie uns unsere allerersten Lebenserfahrungen und kulturelle Bilder prägen. Gerade weil wir in Deutschland mit unzureichenden Bildern von der Vielfalt asiatischer Menschen aufwachsen, kennen wir nur billige Abziehbilder. Und die triefen nur so von Klischees. Wir sehen eindimensionale Silhouetten mit Eigenschaften, die gar nicht so wie wir sind. Der erste Impuls ist: So bin ich nicht! So will ich nicht sein! Also lehnen wir unser Asiatischsein ab, weil wir die Bilder ablehnen. Klar verstehen wir später intellektuell, dass diese Bilder Lügen sind, aber es mit Herz und Seele erfahren zu haben, ist etwas anderes. Ich empfehle dir, dich gezielt Medien auszusetzen, wo du verschiedenste asiatische Menschen sehen kannst. Laute Menschen, leise Menschen, dicke, dünne, alte, junge, introvertierte, extrovertierte... Ersetze die alten Klischees durch authentischere Abbildungen. Das hat mir zumindest geholfen. Youtube-Videos sind ein guter Anfang.
Dann haben wir da noch die Partnersuche. Von dem, was du beschreibst, hört man eine Verunsicherung heraus, die viel über deine Perspektive auf deine vielfältige Herkunft verrät. Ich mutmaße hier nur, aber kann es sein, dass du deine Unsicherheit über deine Identität auf andere projizierst? Sicherlich gibt es Männer, die nur die blonde Weiße ansprechen wollen (Douchebags und A*löcher also). Aber mehr noch gibt es Männer/Menschen, die das gar nicht stört. Da ist die Herkunft nur ein Gesprächspunkt. Für manche ist es ein absoluter Pluspunkt, aber ich möchte jetzt nicht noch das Fass "Fetischisierung von Asiatinnen" aufmachen. Zumindest ich kann nicht bestätigen, dass bio-deutsche Männer eine Abneigung gegen asiatische Frauen haben.
Es hängt viel von der Ausstrahlung ab, ob man attraktiv wirkt oder nicht. Wenn ich beispielsweise unsicher bin, mich nicht mit mir selbst wohlfühle, bewege, rede und gucke ich auch so. Die Schultern gehen nach oben, man zieht den Kopf ein, die Bewegungen sind sparsamer, die Stimme leiser und die Augen "flackern". Dadurch macht man sich unsichtbar. Ich musste lernen, im Leben meinen Platz einzunehmen, dominant zu sein. In meinem Leben habe ich beides erlebt: Völlig unsichtbar und entsexualisiert sein und die "Königin der Nacht". Der einzige Unterschied war, wie ich mich in der Welt positioniert habe. Als "Quick Fix" kannst du mal probieren, dich anders zu bewegen. Das altmodische Kopf hoch, Brust raus, Rücken gerade. Die Superhelden-Pose vor dem Spiegel üben. Tanzen lernen. Und sich selbst gern haben. Das ist das Wichtigste. Denn asiatischsein und -aussehen hat nichts Verdammenswertes.
Die asiatisch-deutschen LeserInnen unter euch: Habt ihr sonst noch Tipps oder Erfahrungen? Dann schreibt sie gerne in die Kommentare!